Grenzfragen:Deutschland, Österreich und Slowenien prüfen gemeinsame Grenzkontrollen

Grenzfragen: Flüchtlinge an der Grenze zwischen Slowenien und Österreich.

Flüchtlinge an der Grenze zwischen Slowenien und Österreich.

(Foto: AFP)

Bislang fehlt den EU-Staaten entlang der Flüchtlingsroute eine gemeinsame Strategie. Doch die Einreisebedingungen im Herzen Europas könnten sich bald grundlegend ändern.

Von Cathrin Kahlweit

Eine italienische Nachrichtenagentur meldete, Österreich setze Schengen aus, der ungarische Außenminister Peter Szijjartó ließ wissen, das sei "besser spät als nie", andere europäische Medien fragten am Ballhausplatz nach, ob die Regierung tatsächlich die Grenzen schließen werde - die medialen Wellen schlugen hoch am Wochenende.

Im Wiener Innenministerium gab man sich wohl gerade deshalb demonstrativ gelassen. Und bestätigte doch zugleich, fast nebenbei, dass sich demnächst sehr viel ändern könnte im Umgang mit den Einreisebedingungen für Flüchtlinge und Asylbewerber in der Mitte Europas. Ja, es gebe eine Arbeitsgruppe, in der Österreicher und Slowenen säßen und in die auch die deutschen Behörden einbezogen seien, sagte ein Sprecher von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Und ja, diese Arbeitsgruppe prüfe derzeit, ob es eine verstärkte gemeinsame Kontrolle der Schengen-Außengrenzen geben solle.

Was trocken klingt und theoretisch, könnte gleichwohl eine grundlegende Änderung der einzelnen Grenzregime in Deutschland, Österreich und Slowenien nach sich ziehen, wenn Flüchtlinge von mehreren Staaten gemeinsam bei ihrer Einreise in den Schengenraum an der Nordgrenze von Kroatien registriert und kontrolliert würden. Und nicht mehr so wie jetzt, mit wachsender Härte und auch wachsender Verzweiflung, in jedem Schengenland einzeln, wodurch Schengen, eine der größten Errungenschaften der EU, praktisch ausgehebelt ist. Schengen dürfe nicht sterben, davor hat auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gewarnt und klargemacht, dass die Geschwindigkeit, mit der die gegenseitige Abschottung im Herzen Europas voranschreite, eine moralische und nicht zuletzt eine ökonomische Katastrophe sei.

Auch in Österreich vernahm man das wohl. Zugleich hatten aber Meldungen in zwei Boulevardzeitungen, wonach Kanzler Werner Faymann - in Absprache mit Deutschland - die Kontrollen verstärken und mehr Flüchtlinge zurückführen wolle, zu wilden Deutungen geführt. Gerüchte machten die Runde, dass SPÖ-Mann Faymann, der Merkels Kurs immer unterstützt hatte, umkippe. Und dass die SPÖ ihren Kurs ändere, weil ihr Koalitionspartner ÖVP auf einer Klausur Mitte vergangener Woche ein Ende der Willkommenskultur und Obergrenzen für Flüchtlinge gefordert hatte.

FPÖ-Politiker nennt Kanzler Faymann einen "Staatsfeind"

Die Zeitung Österreich titelte flott, das Land mache die "Grenzen dicht". Und die Krone, die beste Beziehungen ins Kanzleramt hat, sekundierte mit Äußerungen des Wiener Bürgermeisters. Österreich könne "nicht nochmals die gleiche Last schultern wie letztes Jahr", wurde Michael Häupl zitiert. Er unterstütze daher die neue, härtere Linie von Faymann und erwarte eine "tatsächliche Grenzsicherung".

Öl ins Feuer der Flüchtlingsdebatte hatte in Österreich am Wochenende auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gegossen. Auf dem Neujahrsempfang seiner rechtspopulistischen Partei nannte er Kanzler Faymann einen "Staatsfeind". Die moderne Völkerwanderung, die Österreich erlebe, sei eine "feindliche Landnahme", die mithilfe des Bundesheers an der Grenze bekämpft werden müsse.

In Wiener Regierungskreisen versucht man nun, die heiße Luft etwas abzukühlen, und betont, Parteiengeplänkel sei das eine, Verwaltungshandeln das andere. Das Bundeskanzleramt sah sich am Sonntag, ungewöhnlich genug, bemüßigt, angesichts der zahlreichen Anfragen aus dem Ausland klarzustellen, dass Schengen de facto schon seit Herbst nicht mehr in Kraft sei. Zudem habe der Kanzler bereits vor wenigen Tagen angekündigt, man werde die Grenzkontrollen verschärfen.

Obergrenzen nennt der Kanzler "unsinnig"

Das aktuelle Vorgehen sieht derweil, ganz konkret und fernab aller spekulativen Schlagzeilen, so aus: Seit einer Woche werde von Österreich an der Grenze zu Deutschland jene Praxis vollzogen, die Deutschland selbst verfolge. An der Grenze dürften nur noch jene weiter, die in Deutschland um Asyl bitten würden. Wer in andere Staaten wolle, nach Schweden etwa oder Großbritannien, werde zurückgewiesen, so der Sprecher des Innenministeriums, weil ja Deutschland diese Menschen auch zurückweise. Etwa 200 Flüchtlinge täglich seien das zuletzt gewesen, die so in Österreich strandeten.

Um diesen "Domino-Effekt" abzumildern, werde von Ende kommender Woche an dieses Vorgehen auch an der Südgrenze zwischen Slowenien und Österreich praktiziert: Nur, wer Papiere habe und entweder in Österreich oder Deutschland einen Asylantrag stelle, dürfe einreisen. Und dann, auf Nachfrage, bestätigt der Sprecher auch, dass es eine Arbeitsgruppe gebe, die über ein abgestimmtes Vorgehen innerhalb des Schengenraums nachdenke. Hier gehe es um "strategische Perspektiven", darum, wie man, unter Beachtung der slowenischen Verantwortung für den Schutz der Schengen-Außengrenze, eine langfristige Lösung finden könne.

Faymann selbst hatte in dem Interview mit Österreich vom Samstag nur von einer Arbeitsgruppe aus Innen-, Außen- und Verteidigungsministerium gesprochen, die klären solle, wie "an der Grenze verschärft kontrolliert werden kann". Er hatte aber auch hinzugefügt: "Wenn die EU es nicht schafft, die Außengrenzen zu sichern, wird Schengen als Ganzes infrage gestellt." Der Kanzler stellte sich zudem eindeutig gegen die vom Koalitionspartner ÖVP geforderten Obergrenzen. Sie nannte er "unsinnig".

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