Grenzen:Wieder flüssig werden

Coronavirus - Treffen der EU-Innenminister

Grenzschließungen sind keine Lösung, findet die EU-Kommissarin für Inneres Ylva Johansson.

(Foto: Thierry Monasse/dpa)

Die EU sieht die strengen Grenzkontrollen im Schengenraum kritisch. Man dürfe die europäischen Werte nicht aufgeben, findet die Kommission.

Von Karoline Meta Beisel

Die Österreicher waren die ersten: Am 11. März ordnete Wien die Schließung der Grenze nach Italien an. Danach häuften sich die Meldungen über weitere Grenzschließungen oder verschärfte Kontrollen: Ob Ungarn, Tschechen, Spanier - beinahe im Stundentakt meldeten sich EU-Mitgliedsländer, aber auch Nichtmitglieder und Schengen-Länder wie Norwegen oder die Schweiz bei der EU-Kommission, um anzumelden, dass an ihren Grenze wieder kontrolliert wird. Auf Druck einiger Bundesländer führte Deutschland am 16. März Kontrollen an einem Teil seiner Grenzen ein.

Nun aber ist der Scheitelpunkt dieser Meldungen überschritten, glaubt EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Am Anfang hätten viele Mitgliedstaaten sehr schnell sehr drastische Maßnahmen ergriffen. "Jetzt, nach ein paar Tagen sehen sie, dass Grenzschließungen keine Lösung sind, und dass sie zusammenarbeiten müssen", sagte Johansson am Freitag bei einer Telefonkonferenz mit der SZ und anderen europäischen Zeitungen. Sonst werde der Güterverkehr zu sehr beeinträchtigt, was letztlich keinem Mitgliedstaat diene. Johansson erwartet, dass der grenzüberschreitende Verkehr in den kommenden Tagen "nach und nach wieder flüssiger" laufen werde.

An der Grenze zwischen Deutschland und Polen zumindest hat sich die Lage tatsächlich etwas verbessert. Die langen Staus haben sich nach Angaben des polnischen Grenzschutzes weitgehend aufgelöst. An den meisten Übergängen fließe der Verkehr am Freitagmorgen ohne Wartezeiten, teilte die Behörde mit. In den vergangenen Tagen hatten sich an den Grenzen zeitweise bis zu 50 Kilometer lange Staus gebildet.

Die Kommissarin findet, die Lage bessere sich stündlich

An der deutsch-dänischen Grenze leitet die dänische Polizei den Verkehr inzwischen zu bestimmten Zeiten um. So soll morgens und nachmittags der Autoverkehr von der Autobahn weg und über eine Bundesstraße Richtung Grenze geleitet werden, teilte die Polizei Südjütland mit. Auf der Autobahn würde zu Stoßzeiten dann nur noch der Lastwagenverkehr über die Grenze rollen.

An anderen Stellen haben EU-Bürger aber nach wie vor Schwierigkeiten mit dem Grenzübertritt. "Es ist absolut notwendig, dass EU-Bürger andere Länder passieren können, um nach Hause zu gelangen", sagte Johansson. Am Freitagnachmittag wollte sie das Thema bei einer Videokonferenz mit den EU-Innenministern besprechen.

Eigentlich erlaubt der Schengener Grenzkodex die Wiedereinführung von Grenzkontrollen nur im Ausnahmefall, und selbst dann nur für kurze Zeit. Theoretisch wäre es also denkbar, dass die EU-Kommission juristisch gegen überzogene Grenzkontrollen vorgeht. Das sei im Moment aber nicht geplant, so Johansson. "Ich sehe bei allen Mitgliedstaaten den großen Willen, die Probleme zu lösen. Derzeit verbessert sich die Lage fast stündlich."

Sorgen, die Corona-Krise könne den Schengen-Raum dauerhaft bedrohen, in dem Bürger ohne Binnengrenzkontrollen quer durch Europa reisen können, teilt Johansson nicht. "Jetzt gerade sind wir in einer furchtbar schwierigen Situation, aber ich sehe auch die Bemühungen der Mitgliedstaaten, mehr zusammenzuarbeiten. Ich glaube darum nicht, dass wir all unsere Werte in dieser Krise aufgeben werden", sagt Johansson. Wahrscheinlicher sei sogar das Gegenteil. "Ich bin optimistisch."

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