EinwanderungDeutschlands Grenzpläne stoßen auf Widerstand

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Zwei Beamte der Bundespolizei überwachen am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) den Einreiseverkehr.
Zwei Beamte der Bundespolizei überwachen am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke in Frankfurt (Oder) den Einreiseverkehr. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Der künftige Innenminister Dobrindt will mit stärkeren Kontrollen der illegalen Einwanderung begegnen. Was man in Polen und Österreich davon hält.

Von Markus Balser, Berlin

Der neuen Bundesregierung um den designierten Kanzler Friedrich Merz (CDU) und den künftigen Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) drohen wegen Plänen für stärkere Grenzkontrollen vom Start weg Spannungen mit den Nachbarn. „Die jetzigen Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze sind schon ein Problem für den täglichen Grenzverkehr und das Funktionieren des EU-Binnenmarktes“, sagte der Geschäftsträger der polnischen Botschaft in Berlin, Jan Tombiński, dem Nachrichtenmagazin Politico. Er bezog sich auf bereits geltende Maßnahmen der Ampelregierung, die für teils stundenlange Staus auf Straßen von Polen nach Deutschland gesorgt haben. „Wir wünschen daher nicht, dass es zu einer Verschärfung der Grenzkontrollen kommt.“

Tombiński ist zwar noch nicht offiziell als Botschafter ernannt, agiert aber bereits als solcher. Er mahnt am Freitag ein Festhalten am Schengen-Raum mit seinen offenen Grenzen an: „Wir stehen natürlich zu unserer Verpflichtung, die europäische Außengrenze – vor allem zu Russland und Belarus – zu schützen, erwarten aber gleichzeitig, dass die Freizügigkeit im europäischen Schengen-Raum erhalten bleibt.“ Auch Polens Regierungschef Donald Tusk hatte bereits mehrmals öffentlich betont, dass er zurückgewiesene Migranten aus Deutschland nicht akzeptieren werde.

Das Thema Migration gilt in Polen als äußerst sensibel – bald ist Präsidentschaftswahl

Der designierte Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte als zentrales Wahlkampfversprechen für seine Regierung angekündigt, die verschärften Kontrollen „vom ersten Tag“ an durchführen zu wollen, und sich zum Ziel gesetzt, Migranten auch in Asylfällen zurückzuweisen. Nun kündigte auch der designierte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) schnelle Maßnahmen gegen illegale Migration an den deutschen Außengrenzen an. „Es wird sofort Entscheidungen geben“, sagt Dobrindt der SZ und fügt an: „An meiner Entschlossenheit gibt es keinen Zweifel.“

Allerdings machte Dobrindt, dessen Amtseinführung für den 6. Mai erwartet wird, auch deutlich: „Es werden keine Grenzen geschlossen, aber sie werden stärker kontrolliert.“ Dobrindt signalisiert zudem, dass er bereits vor der Amtsübernahme aktiv geworden sei, um rasch handeln zu können. „Unser Ziel ist es, auch europäisch mehr zu erreichen. Ich führe dazu bereits Gespräche mit europäischen Partnern.“ Merz wird in der kommenden Woche in Warschau zum Antrittsbesuch bei Tusk erwartet. Das Thema Migration gilt in Polen als äußerst sensibel, da Mitte des Monats Präsidentschaftswahlen anstehen.

Auch in Österreich verfolgt die Regierung die deutschen Pläne sehr aufmerksam. Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte bereits erklärt, dass sein Land Zurückweisungen an der Grenze nur im Rahmen des europäischen Rechts akzeptiere, was Zurückweisungen in Asylfällen jedoch ausschließt. Österreich begrüße, dass Deutschland einen konsequenten und strengen Asylkurs verfolge, verlautete am Freitag aus dem österreichischen Innenministerium.

Die Diskussionen in der schwarz-roten Koalition könnten sich noch einmal verschärfen

Allerdings weist Karners Haus die Nachbarn vorsichtshalber auch noch mal auf das geltende Recht hin – und signalisiert damit Konfliktbereitschaft. „Wir sind zuversichtlich, dass das Handeln der deutschen Behörden an den EU-Binnengrenzen auf dem Boden der Rechtsordnung erfolgt“, heißt es weiter. Denn der Europäische Gerichtshof habe schließlich festgestellt, dass bei der Stellung eines Asylantrages eine formlose Zurückweisung rechtlich nicht möglich sei.

Damit könnten sich auch die Diskussionen innerhalb der schwarz-roten Koalition zum Regierungsstart in den nächsten Tagen noch einmal verschärfen. Im Koalitionsvertrag hatte die Union zwar gegen Widerstände in der SPD durchgesetzt, Menschen an den Grenzen zurückzuweisen, auch wenn sie um Asyl ersuchen, um die irreguläre Migration zu reduzieren. Das aber soll laut Vertrag und auf Druck der SPD nur in Abstimmung mit den Nachbarländern geschehen können. Zustimmung zu den Plänen ist angesichts der Reaktionen der Nachbarn nicht in Sicht. Zwischen Union und SPD ungeklärt ist jedoch, ob „in Abstimmung“ auch wirklich bedeutet, die Zustimmung der Nachbarn einzuholen, oder ob es reicht, dass sie lediglich informiert werden.

In Österreich verweist das Innenministerium am Freitag ohnehin auf drastisch sinkende Zahlen illegaler Migranten. So richtig klar ist den Verantwortlichen jenseits der Grenze nicht, warum die neue Bundesregierung in Berlin das Thema überhaupt so hoch hängt. Mit dem verstärkten Schutz der EU-Außengrenze, den Österreich unterstütze, sei es ohnehin bereits gelungen, die Migration nach Österreich massiv zu reduzieren – mit dem Ziel, sie gegen null zu drücken, heißt es aus dem Innenministerium. So gab es laut Karners Haus in der vergangenen Woche insgesamt nur 19 Aufgriffe an der ungarisch-burgenländischen Grenze. Zum Vergleich: Ende des Jahres 2022 waren es in einer Herbstwoche noch 3600 Aufgriffe.

Die Zahl der Asylbewerber ist laut Bundesinnenministerin Faeser auch in Deutschland derzeit stark rückläufig. Sie war in den vergangenen zwei Jahren um rund 50 Prozent zurückgegangen. Erst am Donnerstag hatte auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mitgeteilt, die Zahl der in Bayern ankommenden Asylbewerber habe sich in den ersten drei Monaten des Jahres mehr als halbiert. Von Anfang Januar bis Ende März beantragten rund 3600 Menschen Asyl im Freistaat. Im ersten Quartal 2024 waren es mit 7600 noch mehr als doppelt so viele.

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