Süddeutsche Zeitung

Grenzrückweisungen:Gericht: Deutschland muss Geflüchteten aus Griechenland zurückholen

  • Die Bundesrepublik Deutschland muss einen an der Grenze gestoppten und direkt nach Griechenland gebrachten Geflüchteten einem Gerichtsbeschluss zufolge zurückholen.
  • Die Entscheidung der Bundespolizeidirektion München sei "voraussichtlich als rechtswidrig anzusehen", erklärte das Verwaltungsgericht München in einem Beschluss.
  • Pro Asyl zufolge ist es die erste Entscheidung dieser Art zugunsten eines Geflüchteten, der anhand des umstrittenen Rücknahme-Abkommens mit Griechenland zurückgewiesen wurde.

Gut ein Jahr nach Abschluss des Rücknahme-Abkommens von Geflüchteten zwischen Deutschland und Griechenland schiebt ein Gericht der neuen Praxis einen Riegel vor: Die Bundesrepublik muss einen an der Grenze gestoppten und direkt nach Griechenland gebrachten Asylsuchenden umgehend zurückholen. Dass die Bundespolizei dem Mann die Einreise nach Deutschland verweigert hatte und ihn per Flugzeug sofort wieder nach Griechenland brachte, sei "voraussichtlich als rechtswidrig anzusehen", erklärte das Verwaltungsgericht München. Der Beschluss vom 8. August erregt nach der Veröffentlichung durch Pro Asyl Aufmerksamkeit. Die Nichtregierungsorganisation erklärt, es handle sich um die erste gerichtliche Entscheidung dieser Art.

Die Zurückweisung basiert auf dem Abkommen der Bundesregierung mit Griechenland vom Sommer 2018; zuvor war ein ähnlicher Deal mit Spanien geschlossen worden. Es geht dabei darum, dass Schutzsuchende, die in diesen Ländern bereits einen Asylantrag gestellt haben, von der deutsch-österreichischen Grenze in einem beschleunigten Verfahren zurückgeschickt werden. Ein ähnliches Abkommen mit Italien wurde von Rom nicht unterschrieben. Die Idee von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Streit um die Zurückweisungen hätte im Frühsommer 2018 fast die Koalition gesprengt.

Das Gericht hat "erhebliche Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit"

Im Schnitt musste seither nicht einmal ein Geflüchteter pro Woche die Bundesrepublik auf Grundlage dieser Vereinbarungen wieder verlassen. Einer dieser wenigen Menschen ist der afghanische Staatsbürger, um den es in dem Beschluss geht. Er war im Mai nach Übertritt der deutsch-österreichischen Grenze in einem Zug aufgegriffen worden - dem Gericht zufolge an einem Bahnhof, der sich keineswegs als grenznah bezeichnen lasse.

Nach eigenen Angaben hielt die Bundespolizei den Mann zunächst ohne Zugang zu einem Anwalt fest und setzte ihn dann in ein Flugzeug nach Griechenland. Dort kam er direkt wieder in Abschiebehaft. Das Gericht weist darauf hin, dass der Mann in Griechenland also nicht mehr als Asylsuchender, sondern als illegal eingereister Ausreisepflichtiger galt.

Das Gericht hat dem Beschluss zufolge "erhebliche Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit und der Existenz" eines Prozederes entgegen dem sogenannten Dublin-Verfahren, wonach Asylsuchende in dem Land zu registrieren sind, in dem sie die Europäische Union betreten hatten. Auch sei mit der Entscheidung der Bundespolizei eine Prüfung des Falls durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgeblieben. Generell stellt das Gericht infrage, ob die Bundespolizei überhaupt zuständig ist für Rückführungen nach Griechenland als nicht an Deutschland grenzender Staat.

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