Greenpeace-Studie zu erneuerbaren Energien:Wie die Energieriesen die Energiewende blockieren

Wie ernst meinen es die vier großen Energiekonzerne mit der Energiewende? Eine Greenpeace-Studie zeigt, dass nur ein geringer Anteil des grünen Stroms in Deutschland von den Atomkonzernen produziert wird. Und die Investitionen legen nahe: Daran wird sich wenig ändern.

Caroline Ischinger

Seit der Atomkatastrophe von Fukushima sind Bundesregierung und die vier großen deutschen Energiekonzerne RWE, Eon, Vattenfall und EnBW nicht mehr richtig auf einer Linie. Zunächst schaltete die Bundesregierung ihre sieben ältesten Atommeiler vorübergehend ab - während des dreimonatigen Moratoriums auf die Laufzeitverlängerung soll überprüft werden, ob die Anlagen sicher genug sind. RWE reichte daraufhin Klage ein und alle vier großen Energieversorger stellten ihre Zahlungen an den sogenannten Öko-Fonds zur Förderung des Ausbaus erneuerbaren Energien ein. An diese Zahlungen war die Laufzeitverlängerung des vergangenen Jahres geknüpft worden.

Nun soll neu diskutiert werden. Doch wie ernst meinen es die Energiekonzerne überhaupt mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien? Eine Studie des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung im Auftrag von Greenpeace nährt Zweifel daran, wie sehr sie die Energiewende vorantreiben. Obwohl die vier Atomkonzerne mit 68 Prozent der Stromerzeugung eine beherrschende Stellung auf dem deutschen Markt einnehmen, ist ihr Anteil an der Produktion erneuerbarer Energien im Vergleich erschreckend gering.

Gerade einmal 0,5 Prozent des gesamten deutschen Stroms ist Energie aus Sonne, Wind, Biomasse oder Erdwärme, die von den vier Energiekonzernen produziert wird. Betrachtet man die Zusammensetzung des Stroms aus diesen erneuerbaren Energien, so stammt der Großteil von regionalen Versorgen, Stadtwerken, Bürgerwindparks und Privathaushalten. Eon, EnBW, RWE und Vattenfall liefern lediglich 3,9 Prozent. Die Greenpeace-Studie bezieht sich auf Unternehmenszahlen von 2009.

Bei der Energiewende und dem Atomausstieg nach der Atomkatastrophe in Fukushima-1 könne Deutschland auf die vier großen Stromkonzerne "nicht zählen", schlussfolgert Karsten Smid, Energieexperte von Greenpeace. Die Unternehmen blockierten den Umstieg auf erneuerbare Energien.

In der Analyse nicht berücksichtigt ist der Strom, der aus Wasserkraft produziert wird. Dieser Strom macht bei den Energiekonzernen den größten Anteil aus erneuerbaren Energien aus. Greenpeace argumentiert, dass die Wasserkraftanlagen bereits seit Jahrzehnten existierten und deshalb zum Großteil bereits abgeschrieben seien. Um die Investitionen der Konzerne in die Energiewende zu analysieren, müsse die Wasserkraft aus der Analyse daher herausgerechnet werden.

Aber auch dann, wenn man die Wasserkraft in die Zahlen einbezieht, beläuft sich der Anteil der grünen Energie, die von den Großkonzernen produziert wird, auf lediglich 3,5 Prozent des in Deutschland verfügbaren Stroms.

Investitionen sind "einfach unzureichend"

Besonders gering ist der Anteil an grünem Strom laut Greenpeace-Studie in der eigenen Produktion bei RWE und EnBW: Bei beiden Konzernen liegt der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien (ohne die dominierende Wasserkraft), bei 0,5 Prozent. Vattenfall produziert 1,2 Prozent der Energie aus "neuen" Technologien, bei Eon ist es ein Prozent. Bei keinem der vier Konzerne hätte der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien signifikant zugenommen, heißt es in der Studie. Bei EnBW - dem Konzern, der sich nun einer grün-roten Landesregierung gegenübersieht - ist die Quote sogar leicht zurückgegangen. Nur bei RWE, dem Konzern mit der geringsten Menge Strom aus erneuerbaren Energien, sei der Anteil um 25 Prozent gewachsen.

Bis 2020 soll in Deutschland der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung von derzeit 17 Prozent auf 35 Prozent erhöht werden - so lautet die Zielvorgabe der Politik. Das sei "sehr ambitioniert", sagte Hans-Peter Villis, Chef des Karlsruher Energiekonzerns EnBW, kürzlich den Stuttgarter Nachrichten. "Da müssen wir fragen: Können wir unter diesen Bedingungen eine stabile Stromversorgung aufrechterhalten?", so Villis.

Diese Zurückhaltung bei der Energiewende spiegelt sich auch in den Investitionen, die die Atomkonzerne laut Greenpeace-Studie in den kommenden Jahren in den Ausbau erneuerbarer Energien stecken wollen. Eon beispielsweise will laut den Zahlen in der Zeit von 2011 bis 2013 insgesamt 13 Prozent der Gesamtinvestitionen (jährlich 867 Millionen Euro) für erneuerbare Energien aufwenden. Dies ist der geringste Anteil im Vergleich der vier Großkonzerne - die größte Summe will RWE investieren: Es sind 1,4 Milliarden Euro pro Jahr und damit 20 Prozent der Gesamtinvestitionen.

Obwohl die Zahlen für sich gesehen beachtlich aussehen, sind sie Greenpeace zufolge viel zu gering, um im konzerneigenen Strommix die Energiewende zu erreichen, also bis 2020 31,7 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien (ohne Wasserkraft) zu gewinnen. "In Bezug auf diesen Zielwert sind die Investitionssummen einfach unzureichend", heißt es in der Studie.

Die Energiekonzerne spielten mit ihrer beherrschenden Marktposition aber eine wichtige Rolle, um in Deutschland insgesamt die politischen Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu erreichen, mahnen die Autoren der Studie. Da die Zahlen von 2009, also aus der Zeit vor der Atomkatastrophe in Japan stammen, bestehe noch eine "Chance für einen wirklichen Kurswechsel", heißt es. Gerade beim Bau von Offshore-Windparks brauche die Gesellschaft finanzstarke Großunternehmen. "So könnten RWE und Co. ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden", lautet die Botschaft der Studie.

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