Gorleben: Untersuchungsausschuss:Abstieg in die Uneinigkeit

Berliner Politiker wollen im Salzstock von Gorleben herausfinden, ob der Endlager-Standort zu Recht gewählt wurde. Die Erkenntnisse, mit denen sie wieder auftauchen, könnten unterschiedlicher nicht sein.

Michael Bauchmüller, Gorleben

Der Hochsicherheitstrakt Gorleben ist fest verschlossen, Nato-Zaun hängt über den Mauern. Doch drinnen, in einem kleinen Raum der "Informationsstelle" steht der Unionspolitiker Reinhard Grindel und spricht über Transparenz. "Es ist wichtig, die Leute mitzunehmen in einem transparenten Prozess", sagt Grindel, CDU-Obmann im Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Deshalb müsse es wieder eine Gorleben-Kommission geben, die Erkundung und Bau eines Atomendlagers im Wendland begleite, zumindest mit der einen oder anderen öffentlichen Veranstaltung. Kurz darauf verschwinden die Ausschussmitglieder im Salzstock. Presse ist nicht erwünscht, obwohl es sich um eine "öffentliche" Sitzung handelt. So viel zum Thema Transparenz.

Erkundungsbergwerk Gorleben

Der Salzstock Gorleben wurde zwischen 1979 und 2000 auf seine Eignung als Endlager für alle Arten radioaktiver, insbesondere hochradioaktiver Abfälle untersucht. Ob bei der Wahl des Standorts alles mit rechten Dingen zuging, ist Streitthema der Parteien.

(Foto: dpa)

Es ist ohnehin ein besonderer Zeitpunkt für einen Gorleben-Ausflug. In zwei Wochen legen unter Tage Bagger wieder los, und die Bundesregierung will eine Atom-Novelle verabschieden, die die Enteignung von Bauern zulassen soll. Bürgerinitiativen haben sich unter Protest aus einem Gesprächskreis zurückgezogen, weil sie nach eigenem Bekunden kein Gehör fanden. Im Wendland kocht die Stimmung hoch.

Das alles ist nicht Thema des Untersuchungsausschusses, zumindest nicht direkt. Der Ausschuss, der seit April tagt, will die Geschichte Gorlebens aufklären. Er soll herausfinden, ob es "bei der Festlegung auf Gorleben 1977 und 1983 tatsächlich mit rechten Dingen zuging", wie die Vorsitzende Maria Flachsbarth (CDU) sagt. Auch soll er prüfen, ob sich die Bauarbeiten in den neunziger Jahren womöglich mehr nach rechtlichen als nach technischen Kriterien orientiert haben.

Es gibt keine Frage, in der Union und FDP nicht grundlegend andere Erwartungen und Erkenntnisse hätten als die Opposition, obwohl sie dieselben Zeugen verhörten und dieselben Akten lasen. Daran ändert auch die Besichtigung nichts. Unter Tage lassen sich die Abgeordneten von Geologen erklären, was man alles weiß über den Salzstock - und was nicht. Ihre Schlussfolgerungen aber gehen auseinander. "Offensichtliche Fehler kann ich nicht erkennen" sagt Grindel nach der Tour durchs Salz. Die Erkundung müsse rasch weitergehen, um endgültig Klarheit zu bekommen.

Die Opposition dagegen bleibt unzufrieden. "Viele Zweifel sind bestätigt worden" sagt die Grüne Sylvia Kotting-Uhl. Und neue sind aufgetaucht: Was genau Öl im Salzstock zu suchen hat, konnten die Geologen offenbar nicht erklären. Auch das soll nun Gegenstand der Erkundung sein. So hält Grindel Vorwürfe, die Festlegung auf Gorleben sei Ergebnis politischer Einflussnahme gewesen, bereits für ausgeräumt.

SPD-Obfrau Ute Vogt dagegen sieht das ganz anders: "Wir haben ganz eindeutig gehört, es gab eine Einflussnahme", sagt sie noch vor der Besichtigung. Die SPD ließe die Arbeiten am Salzstock am liebsten ruhen, bis der letzte Zweifel aus der Welt ist - was bei Gorleben vermutlich fast unmöglich ist. Die Koalition blickt deshalb auch in der Endlager-Frage gebannt nach vorn. "Wir können das Rad nicht zurückdrehen", sagt die FDP-Politikerin Angelika Brunkhorst.

In den nächsten Monaten sollen deshalb weitere Stollen ausgebaggert werden, der Etat für 2011 enthält entsprechende Mittel. So soll sich klären, ob der Salzstock geeignet ist. Den größten Teil der Erkundung sollen zwar die Unternehmen zahlen, doch Regie führt das Bundesamt für Strahlenschutz. Ausgerechnet das jedoch, eigentlich Hausherr in Gorleben, nahm an der Besichtigung nicht teil - die schwarz-gelbe Ausschussmehrheit wünschte es so. Stattdessen begleiteten Experten der Baufirma DBE und die Castor-Transporteure der Gesellschaft für Nuklear-Service die Parlamentarier - beides Ableger der Energiekonzerne. "Es ist nicht unsere Aufgabe, Beschlüsse des Parlaments zu kommentieren", hieß es im Bundesamt für Strahlenschutz.

Die Behörde, die Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) untersteht, ist vielen in der Koalition suspekt. In der Vergangenheit hatte sie empfohlen, neben Gorleben weitere Endlagerstandorte zu untersuchen. Nur so lasse sich sicherstellen, dass eine Entscheidung für Gorleben auch vor Gerichten Bestand habe. Genau dies will die Koalition aber nicht - stattdessen möchte Röttgen nur mögliche Gesteinsformationen untersuchen lassen.

Konkrete Alternativ-Standorte benennt keiner gerne - zumal sich in Gorleben zeigt, was dann geschähe. Rund um das Endlager lebt der Protest gerade wieder auf. Auch beim Parlamentarier-Ortstermin sammelten sich Demonstranten am Endlager. Mit Tonnen und Traktoren verbarrikadierten sie die Zufahrt. "Es wird ein Lächeln sein, das sie besiegt", stand auf einem Transparent.

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