Süddeutsche Zeitung

Gordon Brown:Afghanische Wahrheiten

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Der britische Premier Gordon Brown hat endlich die Wahrheit über Afghanistan ausgesprochen - es war höchste Zeit.

Wolfgang Koydl

Die einzige Frage, die einem nach der Afghanistan-Rede des britischen Premiers Gordon Brown in den Sinn kommt, ist ein entnervtes: "Warum nicht gleich?"

In der Tat: Warum mussten so viele Menschen sterben, so viele Millionen an Hilfsgeldern vergeudet werden, bevor ein westlicher Politiker den Mut fand, auszusprechen, was jeder Soldat weiß, der in Helmand oder Kandahar die Knochen hinhält - egal ob er aus Amerika, Großbritannien oder Deutschland kommt? Wieso schlagen wir uns für ein durch und durch korruptes Regime, das selbst keinen Finger zu rühren scheint für Wohlstand und Wohlergehen seines eigenen Volkes?

Spät hat Brown diese Wahrheit ausgesprochen, aber zu danken ist ihm nicht nur, dass er es überhaupt getan hat. Wichtiger war, dass er Hamid Karsai offen mit dem Entzug des militärischen Schutzes drohte, wenn der afghanische Präsident nicht selbst einige jener Werte verwirklicht, für deren Umsetzung die Nato-Partner am Hindukusch schließlich kämpfen. Diese Sprache dürfte Karsai verstehen. Denn er weiß, dass er ohne fremde Truppen keinen Monat überleben würde.

Höchste Zeit für Browns Warnschuss war es freilich, weil an der Heimatfront kaum jemand mehr Verständnis aufbringt für eine Mission, die zunehmend als nutz- und zwecklos empfunden wird, nicht nur in Großbritannien. "Mourir pour Danzig?" fragte ein französischer Leitartikler fünf Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges - nicht wissend, dass mehr auf dem Spiel stand als eine Stadt an der Ostsee. Das gilt auch für Afghanistan. Mourir pour Kabul? Ja, leider. Es ist ein hoher Preis, der täglich neu gerechtfertigt werden muss. Daran hat Brown erinnert. Endlich.

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SZ vom 07.11.2009/std
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