Süddeutsche Zeitung

"Gorch Fock":Kommandant hält Sanierung für "einzig logische Folgerung"

  • Der Kommandant der Gorch Fock hat sich für den Erhalt des Segelschulschiffes ausgesprochen.
  • Die Fortsetzung der Sanierung sei trotz der hohen Kosten "die einzig logische Folgerung".
  • Die Opposition hatte vorgeschlagen, ein neues Schiff zu bauen oder zu kaufen.

Von Mike Szymanski, Berlin

Im Streit über die Zukunft des Segelschulschiffes Gorch Fock spricht sich der Kommandant, Kapitän zur See Nils Brandt, klar für den Erhalt des Dreimasters aus. Die Arbeiten an dem Schiff seien zu weit fortgeschritten, um die Sanierung jetzt noch abzubrechen. "Vor dem Hintergrund des Ist-Zustandes des Schiffes und der Arbeiten, die bei Unterauftragnehmern erfolgt sind, ist die Fortsetzung und Beendigung des Vorhabens die einzig logische Folgerung, die sich daraus ergibt", sagte Brandt der Süddeutschen Zeitung.

Am Montag hat sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bei einem Überraschungsbesuch auf dem Schiff, das in einer Werft in Bremerhaven liegt, selbst ein Bild der Lage gemacht und sich von Brandt über die Baustelle führen lassen. Sie wollte sich hinterher nicht festlegen, was die Zukunft des Schiffes anbelangt, aufgrund von noch "sehr vielen offen Fragen". Das Schiff liegt seit drei Jahren in der Werft. Die Kosten für die Sanierung sind völlig aus dem Ruder gelaufen. Anfangs war das Verteidigungsministerium von 9,6 Millionen Euro ausgegangen. Je genauer das Schiff untersucht wurde, desto mehr Sanierungsbedarf stellten die Techniker fest. Mittlerweile werden die Kosten mit 135 Millionen Euro angegeben.

Rechnungshof spricht von eklatantem Missmanagement

Der Bundesrechnungshof hat in einem Prüfbericht eklatantes Missmanagement moniert. Zudem überschattet ein Korruptionsverdacht gegen einen Mitarbeiter des Marinearsenals das Vorhaben. Verteidigungspolitiker von Grünen und Linken fordern bereits das Aus für die Gorch Fock. Die FDP gibt einer Sanierung kaum noch eine Chance. Von der Opposition kam auch der Vorschlag, ein neues Schiff zu bauen oder zu kaufen.

Brandt stellt sich solchen Überlegungen entschieden entgegen. Er argumentiert, dass die Gorch Fock derzeit von Grund auf überholt werde. "Schiffbaulich werden 85 Prozent der Gorch Fock nach Abschluss des Vorhabens neu sein." Dies schließe aber auch die Arbeiten ein, die bereits in den Jahren 2011 und 2012 ausgeführt wurden. Bereits zweimal stand wegen der ausufernden Kosten die Frage im Raum, die Sanierung abzubrechen.

Zuletzt hatte sich von der Leyen im März 2018 für die Fortsetzung der Arbeiten entschieden. Laut Brandt war zu dem Zeitpunkt bereits bekannt, dass nicht mehr von einer Instandsetzung im herkömmlichen Sinn die Rede sein kann. "Nach Abschluss der schiffbaulichen Untersuchung im November 2017 zeichnete sich ab und seit Anfang 2018 war klar, dass es mehr oder weniger faktisch ein Neubau wird", sagte Brandt.

Das Schiff wurde in allen Teilen vermessen, um ein 3-D-Modell erstellen zu können

Die Marine hat daraufhin noch einmal einen Aufwand für das Schiff betrieben wie nie zuvor. Beispielsweise wurde das Schiff komplett neu vermessen, um ein digitales, dreidimensionales Modell zu erhalten. Für jede einzelne Stahlplatte sei mittlerweile dokumentiert, über welche Materialstärke sie verfügt und wann sie am Schiff ausgetauscht worden ist. Anfang 2018 hatte das Ministerium die bereits entstandenen Ausgaben mit 75 Millionen Euro angegeben. Geld, das im Falle eines Abbruchs in den Sand gesetzt würde. Hinzu kämen noch fünf Millionen Euro für die Entsorgung des Schiffes.

Die massiven Schäden am Schiff waren nach und nach ans Licht gekommen. Die Rechnungsprüfer werfen in ihrem Bericht der Marine vor, seit 1979 keine Komplettuntersuchung des Schiffes durchgeführt zu haben, obwohl die Vorschriften dies verlangt hätten. Der schlechte Zustand des Schiffes fiel erst auf, als ein Kühlraum erneuert werden sollte. Da die komplette Technik ersetzt werden musste, wurde der Raum freigelegt. Dabei stießen die Arbeiter auf wellenartige Verformungen des Schiffsstahls. Bei weiterer Überprüfung entdeckten sie schwere Korrosionsschäden.

Die Rechnungsprüfer monieren, dass die Marine darauf gedrungen habe, schnell wieder in See stechen zu können und deshalb "sich anbahnende Schäden nicht zeitiger erkannt" worden seien. Bereits "vor Beginn der Instandhaltungsmaßnahme" hätte dieses Vorhaben "gegen einen Neubau abgewogen werden müssen".

Brandt macht jahrelangen Geldmangel bei der Bundeswehr für den schlechten Zustand des Schiffes mitverantwortlich. "In den vergangenen 25 Jahren standen nie genügend Mittel zur Verfügung, um über die zwingend notwendigen Arbeiten hinaus weitere Instandsetzungen durchzuführen." Dies sei eine Ursache dafür, "dass das Schiff in dem Zustand ist, wie es 2017 befunden worden ist".

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SZ vom 24.01.2019/kit
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