Süddeutsche Zeitung

Gorch-Fock-Affäre:Schmidt rüffelt Guttenberg

Altkanzler Helmut Schmidt greift Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg scharf an. Die Entlassung des Kapitäns sei verfrüht und "gegen die Regeln". Berichten zufolge könnte die Bundeswehr schon lange über Missstände auf dem Schiff Bescheid gewusst haben.

Es gab viel Kritik am Vorgehen des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in der Causa Gorch Fock. Tadel kommt nun auch vom früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD): Er erklärte die Suspendierung von Norbert Schatz, dem Kapitän des Segelschulschiffs, für verfrüht."Um einen Rat gebeten, würde ich sagen: Sorge dafür, dass die Vorschriften eingehalten werden. Zu den Regeln gehört beispielsweise auch, dass über niemandem der Stab gebrochen wird, ehe er angehört wurde", sagte Schmidt der Wochenzeitung Die Zeit, deren Herausgeber er ist.

Diese Einschätzung beziehe sich nicht nur auf Schatz, sondern auch "auf die Entlassung des Staatssekretärs Peter Wichert und des Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan", so Schmidt weiter. Guttenberg hatte Wichert und Schneiderhan kurz nach seinem Amtsantritt Ende 2009 entlassen. Er hatte sie dafür verantwortlich gemacht, dass Berichte über zivile Opfer eines von einem deutschen Oberst befohlenen Luftangriffs in Nordafghanistan im Ministerium nicht korrekt weitergeleitet worden waren.

Gravierende Kommunikationsprobleme zeichnen sich auch in der jüngsten Bundeswehr-Affäre ab: Wie die Zeit berichtet, soll die Bundeswehr von Missständen auf der Gorch Fock gewusst haben. Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr habe in den vergangenen Jahren mehrfach in Forschungsstudien über Probleme an Bord des Segelschulschiffes Gorch Fock informiert, heißt es in dem Artikel laut Vorabmeldung. Wie das Blatt weiter berichtet, sei in den Papieren von "Kritik am Sicherheitskonzept" und von "großen und ernstzunehmenden Problemen" bei der Verpflegung und Hygiene die Rede.

Die Studien, die offenbar auf der Befragung von Marine-Offiziersanwärtern beruhen, liegen der Wochenzeitung nach eigenen Angaben vor. Sicherheitsbedenken, die Offiziersanwärter nach dem Tod einer Kameradin im Jahr 2008 geäußert hatten, sollen demnach bereits in einem Forschungsbericht vom Mai 2010 angesprochen worden sein. "Im Zusammenhang mit der Kritik am Sicherheitskonzept muss auf die Möglichkeit geachtet werden, den Offiziersanwärtern ausreichend Erholung zu gewähren", zitiert die Zeit aus dem Bericht.

Die Studienergebnisse sollen an Marineführung und Verteidigungsministerium weitergeleitet worden sein.

In Berlin musste sich Guttenberg am Mittwochvormittag den Fragen des Verteidigungsausschusses stellen. Zwar schloss die Vorsitzende des Gremiums, Susanne Kastner (SPD), zunächst einen Untersuchungsausschuss zu den Vorfällen in Afghanistan und auf dem Segelschulschiff Gorch Fock aus, doch die Opposition bekräftigte ihre Vorwürfe gegen den Verteidigungsminister. Politiker von SPD und Grünen warfen Guttenberg Fehlentscheidungen vor, etwa bei der Suspendierung von Kapitän Schatz. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, erneuerte im Deutschlandfunk seine Kritik, dass es seit längerem Hinweise gegeben habe, wonach auf dem Schiff "etwas nicht in Ordnung" gewesen sei, das Ministerium aber nicht so genau hingeschaut habe.

Der Obmann der Unionsfraktion im Ausschuss, Henning Otte (CDU), verteidigte dagegen die Personalentscheidung des Ministers. Angesichts des großen öffentlichen Drucks halte er die Suspendierung von Schatz für gerechtfertigt, sagte Otte dem Deutschlandfunk. Er plädierte für eine gründliche Aufklärung. Auch die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Elke Hoff, stellte sich hinter Guttenbergs Entscheidung. Sie sprach im ZDF-Morgenmagazin aber von unangenehmen und zum Teil schlimmen Einzelfällen, die aufgeklärt werden müssten. Die FDP-Politikerin räumte zugleich ein, dass es im Verteidigungsministerium Informationspannen gegeben habe.

Guttenberg selbst verteidigte sein Vorgehen und machte zugleich deutlich, dass er die militärische Führung in Verantwortung nehmen will. "Ich bin bereit, wenn Fehler in der Bundeswehr geschehen, zu sagen, dafür ist die Bundeswehr verantwortlich. An der Spitze steht jemand, der die Gesamtverantwortung für die Bundeswehr trägt", sagte der Verteidigungsminister nach der Sitzung des Verteidigungsausschusses. "Und trotzdem brauchen wir eine Bundeswehr, die das Verantwortungsprinzip auch bei jedem einzelnen Beteiligten lebt und trägt."

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