Süddeutsche Zeitung

Gorch-Fock-Affäre:Kapitän soll Soldaten "minderwertiges Menschenmaterial" genannt haben

Norbert Schatz, der suspendierte Kommandant der "Gorch Fock", soll eingeräumt haben, Offiziersanwärter nach dem Todessturz einer Kadettin beschimpft zu haben. Auch von bizarren Spielchen an Bord ist die Rede.

Reinhold Robbe hat es geahnt. Auf der einen Seite forderte der ehemalige Wehrbeauftragte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auf, der Öffentlichkeit die Gründe für die Suspendierung des Kommandanten der Gorch Fock darzulegen.

Andererseits sagte der Sozialdemokrat: "Ich gehe davon aus, dass der Minister für diesen ungewöhnlichen Schritt triftige Gründe hat." Da scheint Robbe richtig zu liegen.

Inzwischen sickerte durch, dass Kapitän Schatz unmittelbar vor seiner Suspendierung vom Marineinspekteur Vizeadmiral Axel Schimpf zu den gegen ihn erhobenen neuen Vorwürfen ausgiebig befragt worden ist. Die Leipziger Volkszeitung schreibt, Schatz habe in dem Telefonat unter anderem eingeräumt, Offiziersanwärter an Deck als "minderwertiges Menschenmaterial" bezeichnet zu haben. Diese Äußerung sei demnach unmittelbar nach dem Todessturz einer Kadettin im November 2010 gefallen.

Das Bundesverteidigungsministerium dementierte inzwischen, dass Schatz dies eingeräumt habe.

Vor dem von der Leipziger Volkszeitung kolportierten Telefonat war die Führung des Ministeriums auch von Medien über alkoholische Exzesse und mögliche sexuelle Übergriffe an Bord informiert worden.

Der Kapitän wurde mit weiteren Anwürfen konfrontiert. Was er wüsste über das "Eulen stechen" oder auch "Elster-Spiel", wollte der Marineinspekteur erfahren? Das bizarre Spiel soll dem Bericht nach darin bestehen, eine "Kameradschaftskasse" für denjenigen zu füllen, dem es am schnellsten gelänge, die nach den Kriterien der Stammbesatzung als am hässlichsten geltende Offiziersanwärterin ins Bett zu bekommen. Schatz soll auf diese Fragen ausweichend geantwortet haben.

Zurückgewiesen habe Schatz, dass es unmittelbar nach dem Todesfall eine "Karnevalsfeier" an Bord gegeben habe. In Beschwerden beim Wehrbeauftragten ist zudem davon die Rede, dass die Kadetten Erbrochenes der Offiziere nach Saufgelagen beseitigen oder Hilfsdienste in der Dusche verrichten sollten. Am Freitag trifft eine siebenköpfige Untersuchungskommission an Bord des Schiffes ein.

Verteidigungsminister zu Guttenberg wird sich an diesem Mittwoch erstmals ausführlich vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestages zu den Vorfällen auf der Gorch Fock äußern sowie zur Causa Feldpost und den Umständen eines durch eine Dienstwaffe getöteten Soldaten in Afghanistan.

"Guttenberg meutert gegen die Kabinettsdisziplin"

Die Opposition erhöhte zuvor den Druck auf den CSU-Politiker Guttenberg. Die Grünen forderten den Minister auf, die Verantwortung für Missstände in der Bundeswehr zu übernehmen. Guttenberg sage die ganze Zeit, dass er mit den Affären in der Truppe nichts zu tun habe, sagte Verteidigungsexperte Omid Nouripour. "Das geht nicht, das ist kein Verständnis von Amtsführung." Stattdessen müsse der Minister glaubhaft machen, dass er die Vorfälle sachgerecht aufkläre.

Der SPD-Bundestagsfraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann kritisierte das Vorgehen Guttenbergs bei der Bundeswehrreform. "Guttenberg verstrickt sich immer tiefer in Widersprüche", sagte Oppermann der Berliner Zeitung. "Erst begründet er die Aussetzung der Wehrpflicht mit der Pflicht zum Sparen. Jetzt fühlt er sich an seine Zusagen nicht mehr gebunden."

Zuvor war ein Schreiben des Kanzleramts bekanntgeworden, wonach die geplante Bundeswehrreform bis 2014 einen finanziellen Mehrbedarf von 1,2 Milliarden Euro hat. Der Verteidigungsminister hatte allerdings versprochen, im gleichen Zeitraum 8,3 Milliarden Euro zu sparen. "Guttenberg meutert gegen die Kabinettsdisziplin", sagte Oppermann. "Das darf die Kanzlerin nicht akzeptieren." Der Minister produziere ein munteres Durcheinander und habe völlig die Bodenhaftung verloren. "Die Bundeskanzlerin muss ihn jetzt auf den Boden der Tatsachen zurückholen", forderte der SPD-Politiker.

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