Verstorbener Sowjet-Präsident:Medwedew und Orbán am Sarg von Gorbatschow

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Im Haus der Gewerkschaften in Moskau ist der Leichnam von Gorbatschow aufgebahrt (Foto: Sergei Bobylev/Imago/Itar-Tass)

Tausende Bürgerinnen und Bürger verabschieden sich mit Blumen von dem Verstorbenen. Russlands Präsident Putin bleibt der Trauerfeier fern, die Bundesregierung ist nur mit einem Botschaftsmitarbeiter vertreten.

Mehrere Tausend Menschen haben am Samstag in Moskau vom letzten sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow Abschied genommen. Sie versammelten sich am Morgen zunächst am Haus der Gewerkschaften in Sichtweite des Kremls. Dort wurde Gorbatschows Leichnam aufgebahrt, die Särge aller früheren sowjetischen Staatschefs sowie des russischen Präsidenten Boris Jelzin (1931-2007) wurden ebenfalls dort öffentlich aufgestellt.

(Foto: dpa)

Viele Menschen warteten mit Blumen in den Händen auf Einlass. Vor dem Gebäude, das öffentlich zugänglich war, bildeten sich lange Schlangen.

(Foto: Alexander Zemlianichenko/dpa)

Am Sarg legten die Menschen Blumen nieder und hielten einen kurzen Moment inne. Gorbatschows Tochter Irina nahm schwarz gekleidet und mit dunkler Maske vor dem Mund Beileidsbekundungen entgegen.

Gorbatschow, der als einer der Väter der Deutschen Einheit gilt und mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, war am Dienstag nach langer schwerer Krankheit im Alter von 91 Jahren gestorben.

(Foto: Imago)

Ein Staatsbegräbnis gibt es nicht - anders als nach Jelzins Tod. Es sind zudem keine führenden Politiker Europas zu der Trauerfeier gekommen. Hintergrund sind die westlichen Sanktionen gegen Moskau wegen des Krieges in der Ukraine.

(Foto: Evgeny Odinokov/Imago/SNA)

Russlands Präsident Wladimir Putin nimmt ebenfalls nicht teil. Sein Sprecher Dmitri Peskow begründete dies mit Terminproblemen.

(Foto: dpa)

Putin hatte Gorbatschow an dessen Sarg am Donnerstag die letzte Ehre erwiesen. Gorbatschow, der Putin ablehnend gegenüberstand, hatte als Miteigentümer der kremlkritischen Zeitung N owaja Gaseta immer wieder Beschränkungen der Pressefreiheit und andere autoritäre Machtzüge unter Putin kritisiert.

(Foto: Ekaterina Shtukina/Imago/SNA)

Persönlich anwesend ist hingegen der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew. Wie russische Nachrichtenagenturen berichten, legte Medwedew Blumen am Sarg nieder.

(Foto: Alexander Zemlianichenko/AP)

Als einer von wenigen ausländischen Politikern ist Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán persönlich nach Moskau gereist, um Gorbatschow "an der Bahre seine letzte Ehre erweisen", wie er zuvor sagte. Orbán pflegt nach wie vor ein gutes Verhältnis zu Putin.

Die Bundesregierung ist bei der Trauerfeier lediglich durch den Geschäftsträger der Botschaft in Moskau vertreten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begründete seinen Verzicht auf eine Teilnahme damit, dass es keine Einladung gebe.

(Foto: Christoph Söder/dpa)

Nach der Trauerfeier wurde der Sarg unter den Klängen der russischen Nationalhymne und mit Salutschüssen ins Grab gelassen, wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete.

(Foto: Alexander Zemlianichenko/dpa)

Der Friedensnobelpreisträger wurde auf dem Moskauer Nowodewitschi-Friedhof (Neujungfrauenkloster) beigesetzt - neben seiner Frau Raissa.

(Foto: Alexander Zemlianichenko/dpa)

An zahlreichen Orten in Deutschland, so wie hier vor dem Kanzleramt in Berlin, wurde Trauerbeflaggung angeordnet. Der Bundestag will am Mittwoch im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Gorbatschow erinnern.

(Foto: Christoph Soeder/dpa)

Für viele ausländische Politiker wäre eine Teilnahme an dem Begräbnis ohnehin nicht möglich gewesen, weil sie von russischer Seite als Reaktion auf die westlichen Sanktionen mit Einreiseverboten belegt wurden. Gesperrt ist zudem der Luftraum in Russland für Flugzeuge aus "unfreundlichen EU-Staaten". Deshalb werden vor allem ausländische Botschafter und Diplomaten von Gorbatschow Abschied nehmen.

Gorbatschow galt als Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges. Unter seiner Führung schloss die Sowjetunion in den 1980er-Jahren mit den USA wegweisende Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle. In seiner Heimat leitete er als Generalsekretär der Kommunistischen Partei mit seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) einen beispiellosen Reformprozess ein. Der politische Prozess führte letztlich zu einem Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums.

Viele Politiker und Bürger Russlands sehen Gorbatschow deshalb als "Totengräber der Sowjetunion", der Russland damals ins Chaos stürzte. Vor allem im Osten Deutschlands genoss "Gorbi" wegen der Öffnung des kommunistischen Systems und des von Moskau damals zugelassenen Mauerfalls großes Ansehen. Sein Tod löste international Trauer aus.

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