Wie auf einer Wolke orientalischen Puderzuckers war der Iraner eingeschwebt: Gleich vier der sechs arabischen Golfmonarchien besuchte Teherans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif in den vergangenen Tagen - der Diplomat gilt wegen seines Charmes und seiner Mediengewandtheit als neue Wunderwaffe der Islamischen Republik.
"Es gibt keine Grenzen für die freundschaftliche und brüderliche Zusammenarbeit mit den Golf-staaten", säuselte das Außenministerium an die Adresse seiner Gegner auf der Arabischen Halbinsel. Sarifs Beschwichtigungsoffensive galt den Staaten, für die am meisten auf dem Spiel steht: Die Golfaraber könnten die großen Verlierer sein, wenn Iran und die USA sich nach 30 Jahren versöhnen.
Sarifs Charmeoffensive folgte unmittelbar auf die vorläufige Einigung im Atomstreit, die Teheran mit den P5+1-Staaten Mitte November in Genf getroffen hatte: Nach dem Ausgleich mit dem Westen will Iran nun die Sicherheitsbedenken der Öl- und Gasstaaten am gegenüberliegenden Ufer des Persischen Golfs bedienen. Die im Golf-Kooperationsrat (GCC) zusammengeschlossenen arabischen Monarchien befürchten eine militärische, wirtschaftliche und kulturelle Vormacht des Nachbarn, wenn die Islamische Republik vom Paria-Staat wieder zum Partner wird.
In Saudi-Arabien durfte Sarif nicht vorsprechen
Hundert Prozent gelungen ist Sarifs Initiative sicher nicht. Der GCC begrüßte zwar die Genfer Atom-Einigung und den "neuen Ansatz" Irans, der aber zu "konkreten Schritten hin zu Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region führen muss". Gleichzeitig beschloss der Golfrat Handfestes: Den Ausbau seines eigenen Systems kollektiver Sicherheit. Gebildet wird ein gemeinsames GCC-Militärkommando. Die USA versprachen den Arabern zudem noch engere militärische Zusammenarbeit und neue Waffen.
Beim wichtigsten Staat der Region durfte Sarif ohnehin nicht vorsprechen. Saudi-Arabien, Vormacht der Golfaraber, stand nicht auf seinem Programm. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Reintegration Irans in den Nahen und Mittleren Osten liegt aber in Riad: Der Energieriese Saudi-Arabien fürchtet um seine Rolle, wenn der Öl- und Gasproduzent Iran auf dem Weltmarkt wieder ungehindert verkaufen kann. Die Saudis wehren sich zudem verbissen gegen den wachsenden Einfluss Irans in der arabischen Welt.
Über die Hisbollah-Miliz kontrolliert Teheran den Libanon, im syrischen Bürgerkrieg kann sich Präsident Baschar al-Assad nur Dank iranischer Unterstützung an der Macht halten. Dass Saudi-Arabien und Iran religiöse Differenzen haben, verkompliziert die Lage weiter. Die Iraner sind die Vormacht der Schiiten, die Saudis sehen sich als Führer der Sunniten. Sarif versuchte es mit schönen Worten: "Wir glauben, dass Iran und Saudi-Arabien zusammenarbeiten sollten auf dem Weg zu Frieden und Sicherheit in der Region." Saudi-Arabien sei "enorm wichtig".
Einen Teil der Hindernisse mag der geschmeidige Sarif so aus dem Weg räumen. Alle aber nicht. Die im Golf-Kooperationsrat zusammengeschlossenen sechs Golfmonarchien wissen, dass sie am Ende allein stehen gegen Iran, den Hegemon der Region. Dennoch treten sie uneins auf. Oman und Katar haben klargestellt, dass sie die Sicherheitsbedenken Saudi-Arabiens nicht zur Gänze teilen. Oman hat traditionell enge Beziehungen nach Iran, will sich dem Ausbau des GCC zu einer Art Arabischer Union am Golf nicht anschließen. Katar teilt sich sein größtes Erdgasreservoir mit den Persern, die Zusammenarbeit läuft seit Jahren reibungslos. Den Vereinigten Arabischen Emiraten soll Teheran angeboten haben, den Jahre alten Streit um eine kleine Inselgruppe im Persischen Golf zu lösen und die drei seit Jahrzehnten Inseln zurückzugeben: Vertrauensbildung auf persisch.
Tatsache ist: Die Islamische Republik gelangt wegen der harschen Sanktionen gegen ihre Ölindustrie und wegen der anhaltenden Machtkämpfe im Inneren des Regimes an die Grenze ihrer wirtschaftlichen Belastbarkeit. Sie scheint bereit zu sein, einen Preis zu zahlen für das Ende der Isolation. Gleichzeitig versucht Teheran, die Golfstaaten unverhohlen zu spalten: Teile und herrsche auf persisch.
Der Hilfe ihrer amerikanischen Freunde können sich die Golfmonarchen bei all dem nicht mehr so sicher sein wie früher. Die USA orientieren sich strategisch nach Fernost. Möglicherweise werden sie durch neue Ölfördermethoden bald selbst Rohstoff-Exportnation: Der Mittlere Osten verliert seine Bedeutung. Eine neue Ordnungsmacht, und sei es Iran, liegt im Interesse Washingtons.
Die Perser betrachten eine Führungsrolle am Golf als geschichtlich gegeben
Solche Ängste versuchte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel jüngst mit einem ungewöhnlichen Truppenbesuch zu zerstreuen: Er stellte der Öffentlichkeit vor, was im Inneren des bisher hochgeheimen US-Stützpunkts al-Udeid in Katar geschieht. Von der Militäranlage aus überwachen die Amerikaner alles, was in den mittelöstlichen Konfliktgebieten geschieht - in Iran, Afghanistan, Syrien.
Der Amerikaner versicherte zudem, die USA wollten mit den Golf-Monarchien bei der Raketenabwehr zusammenarbeiten - ein Warnsignal an Teheran. Washington will angeblich ein Hochleistungsradar in Katar installieren, solche Anlagen zur Raketenabwehr stehen nur in Israel und der Türkei. "Das US-Militär baut eine neue strategische Einsatzfähigkeit in Nahost auf", sagte Hagel: "Ich versichere unseren Partnern, dass wir nirgendwohin abziehen."
Solche Versprechen werden nicht reichen. Die Golfaraber wissen, dass die Perser eine Führungsrolle am Golf als geschichtlich gegeben betrachten. "Ohne jeden Zweifel ist Iran die Vormacht am Persischen Golf", sagte der den Hardlinern des Regimes nahestehende Politologe Hamid Reza Traghi der Süddeutschen Zeitung. "Das ist ein Automatismus aufgrund der geografischen Lage als asiatische Drehscheibe. Iran ist zudem kulturelle Vormacht." Und selbstbewusst fügt der Wissenschaftler hinzu: "Welches Land der Region kann auf eine 5000 Jahre alte Geschichte verweisen?"
Entsprechend dramatisch klang es da, wie die arabische Zeitung Asharq al-Awsat die Befürchtungen der Golf-Araber beschrieb: "Die Folgen des Genfer Atom-Deals sind gefährlicher als die des 11. Septembers."