Süddeutsche Zeitung

Golfstaaten:Deutschlands schwierige Verbündete

Salafisten in Deutschland erhalten Geld aus Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten. Die deutschen Sicherheitsbehörden versuchen nun gegenzusteuern.

Von Georg Mascolo

Mit ihren Zinnen und dem vergoldeten Turm wirkt die König-Fahd-Akademie in Bad Godesberg wie eine Burg. Dabei ist sie eine Schule. Eigentlich. Die vom saudischen Königshaus finanzierte Akademie galt einmal als kulturelles Vorzeige-Projekt, bis dann herauskam, dass alles ein bisschen anders war: In Schulbüchern wurden strikt antijüdische und antiwestliche Sichtweisen vertreten. 2003 wurde während eines Gebets an der Akademie zum "Heiligen Krieg" gegen Nicht-Muslime aufgerufen.

Ein hochrangiger Diplomat der saudischen Botschaft in Berlin verkehrte mit Terror-Verdächtigen. Die Bundesregierung überlegte, die Saudis wegen Unterstützung radikaler Muslime in Deutschland in den Verfassungsschutzbericht aufzunehmen. In diesem Sommer nun kündigte die saudische Regierung an, die Akademie zum Ende des Schuljahrs zu schließen. Es wirkte wie ein Schlussstrich unter ein schwieriges Kapitel.

Gute Partner oder gefährliche Partner?

Doch es ist anders gekommen: Es droht eine Neuauflage der Debatte darüber, wie es Saudi-Arabien, aber auch andere Golfstaaten wie Katar oder Kuwait mit der Unterstützung radikal-islamistischer Bewegungen in Deutschland halten. Alle drei Staaten sind Verbündete Deutschlands, sie sind Empfänger umstrittener Waffenlieferungen, vor allem mit den Saudis gibt es eine enge Kooperation bei der Terrorismusbekämpfung. Gerade erst ersuchte die Regierung in Riad Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, man möge die Kooperation zwischen Militär und Geheimdiensten doch noch vertiefen. Gute Partner also?

Im November des vergangenen Jahres, die Flüchtlingswelle ebbte gerade langsam ab, beauftragte die Arbeitsgemeinschaft "Transnationale Aspekte" des Gemeinsamen Terrorismusabwehr-Zentrums in Berlin den BND und das Bundesamt für Verfassungsschutz mit einer heiklen Untersuchung. Die Dienste sollten herausfinden, welche Rolle die Verbündeten am Golf bei der Unterstützung der salafistischen Szene in Deutschland spielen. Inzwischen gibt es knapp 10 000 Salafisten, die Zahl steigt stetig, sie vertreten ein rückwärtsgewandtes und fundamentalistisches Islam-Bild.

Beunruhigender noch ist, dass nach Feststellungen des Bundeskriminalamtes 96 Prozent aller nach Syrien oder in den Irak ausgereisten deutschen Dschihad-Freiwilligen zuvor im salafistischen Milieu verkehrten. Die beiden Szenen lassen sich kaum noch auseinanderhalten.

In der Bundesregierung ist die Sorge groß, dass nun vor allem die Hunderttausenden sunnitischen Flüchtlinge zum Ziel der Missionierung werden könnten, die im vergangenen Jahr ins Land kamen. Viele sind verunsichert und traumatisiert. 390 Fälle, in denen Islamisten versuchten, sie zu ködern, zählt die Statistik inzwischen. Oft geben sich die Salafisten als freundliche Glaubensbrüder aus, die Essen und Kleidung verteilen, einen Familientag auf dem Spielplatz organisieren oder ihre Hilfe bei Behördengängen anbieten. Der Verfassungsschutz warnt in einer "Handreichung für Flüchtlingshelferinnen und -helfer" vor den islamistischen Missionaren.

In diesen Tagen wurde eine erste Zwischenbilanz der Untersuchung der deutschen Geheimdienste vorgelegt. Das Fazit muss man wohl so lesen: Die arabischen Verbündeten sind noch immer Teil des Problems. Danach sollen sich "salafistische Missionierungsorganisationen aus den Golfstaaten" mit Glaubensbrüdern in Deutschland und Europa "vernetzen". Man müsse damit rechnen, dass dies erst der Anfang sei. Mit Geld der großen religiösen Organisationen aus der Region würden Moscheen und Schulungseinrichtungen finanziert und Prediger entsandt. Aus anderen europäischen Ländern würden ähnliche Entwicklungen gemeldet, heißt es.

Genannt werden gleich drei der großen islamischen Missions-Bewegungen aus den Golfstaaten. Die kuwaitische "Revival of Heritage Society" (RIHS), die über enge Verbindungen nach Saudi-Arabien verfügt, soll bereits seit 2012 versuchen, über eine Immobilien-Firma Grundstücke für Moscheen und Schulungseinrichtungen zu kaufen. Nach einer Warnung durch die Polizei verhinderte der Stadtrat von Fellbach den Bau eines Islamistenzentrums auf dem Geländer einer ehemaligen Kunststofffabrik.

Wie verlässlich sind Deutschlands Verbündete am Golf?

Der Gemeinderat änderte eilig den Bebauungsplan, um religiöse Versammlungen im Gewerbegebiet zu verbieten. Der baden-württembergischen Kleinstadt, in der einst Sami Khedira Fußball spielte, blieb damit laut Verfassungsschutz ein islamistisches Zentrum erspart, "das Teil eines Strategieplans der RIHS zur Missionierung Süddeutschlands" gewesen sei. Weitere Verbindungen der Immobilienfirma sollen zu Moscheen in Sindelfingen, Bremen und Stuttgart führen.

Die Erkenntnisse werfen, wie schon die Waffenexporte, eine Frage auf: Wie verlässlich sind die Verbündeten am Golf? Inzwischen wird in Deutschland gezielt gegen islamistische Prediger vorgegangen, es gibt Verhaftungen und Verbote, wie zuletzt gegen die salafistische "Lies"-Bewegung, die Korane in Fußgängerzonen verteilte. Oft ist der Übergang zwischen freier Religionsausübung und heimlicher Radikalisierung nur schwer auszumachen. Immer wieder wurden die Golfstaaten in hochrangigen Gesprächen gebeten, die Missionierung in Deutschland einzustellen. Die Antwort soll stets gleich gewesen sein: Man habe schon sehr viel getan, aber religiöse Organisationen seien nun einmal unabhängig, zudem sei das von ihnen gepredigte Islam-Verständnis ein Bollwerk gegen jede Form von Terrorismus und den sogenannten Islamischen Staat. Man verfolge ein gemeinsames Ziel.

Vor allem Awwad Alawwad, der neue saudische Botschafter in Berlin, der einen guten Ruf besitzt, soll sich über solches Misstrauen ärgern. Die deutschen Geheimdienste dagegen verweisen auf angeblich enge Verbindung zwischen den Missions-Bewegungen und den Staaten am Golf. Für sie gehöre die Missionierung "von vermeintlich fehlgeleiteten Muslimen im Sinne des Salafismus - gerade auch in Europa - zum religiösen und politischen Selbstverständnis". Ohne die staatliche Billigung und Unterstützung gehe nichts, soll das heißen. Nun wollen die Europäer offenbar die Einreise von Predigern und Funktionären verhindern, eine Liste von Personen wird erstellt. Auf Anfrage erklärte das Innenministerium, man könne nicht sagen, wie oft in der Vergangenheit ein Einreiseverbot ausgesprochen worden sei, man führe da keine Statistik.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3291691
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.12.2016/bepe
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.