Göttingen:Politiker verurteilen Angriff auf Grünen-Landtagsabgeordnete

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Die Landtagsabgeordnete Marie Kollenrott (Grüne) sitzt zu ihrer Begrüßung im niedersächsischen Landtag. (Archiv) (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Die Attacke auf Marie Kollenrott geschieht laut Polizei bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Innenstadt. Der mutmaßliche Angreifer wird kurzzeitig festgenommen. Politiker zeigen sich schockiert.

Politiker aus Niedersachsen haben den Angriff auf die Grünen-Landtagsabgeordnete Marie Kollenrott verurteilt. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Göttinger Innenstadt war Kollenrott nach Angaben der Polizei von einem 66-jährigen Mann attackiert worden. Nach bisherigen Erkenntnissen habe der Mann der Landtagsabgeordneten am Samstagmittag mehrfach gegen den Oberkörper geschlagen. Sie erlitt laut Polizei leichte Verletzungen an den Armen.

Die Beamten nahmen den mutmaßlichen Angreifer kurz danach in Tatortnähe fest. Sie stellten seine Identität fest und ließen ihn danach wieder frei. Der Staatsschutz habe die weiteren Ermittlungen übernommen.

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Von Markus Balser

Katrin Göring-Eckardt: "Wir werden nicht weichen."

Politiker mehrerer Parteien zeigten sich schockiert über den Angriff. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) verurteilte den Angriff und rief zum Schutz der Demokratie auf. "Wir werden nicht weichen! Wir verteidigen die Demokratie in unserem Land", schrieb sie auf der Plattform X. Zugleich wünschte sie Kollenrott eine schnelle Genesung, "physisch und seelisch".

Auch Grünen-Politiker Jürgen Trittin äußerte sich solidarisch und schrieb auf X: "Die Gewalt darf keinen Platz haben." Die politische Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, erklärte: "Erneut ein Angriff auf eine Politikerin und damit auf unsere Demokratie und die freien Wahlen. Wir lassen uns nicht einschüchtern!"

"Es ist und bleibt nicht hinnehmbar, dass Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf immer wieder Opfer von gewalttätigen Übergriffen werden", erklärte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Samstagabend. "Was wir derzeit erleben, ist eine gefährliche Entwicklung. Unsere Demokratie funktioniert nur, wenn Menschen sich für ihre Überzeugungen auch sichtbar in der Öffentlichkeit engagieren", sagte der Ministerpräsident. Weil appellierte, achtsam zu sein und gegen zügellose Aggressivität einzuschreiten.

"Wir verurteilen den Angriff aufs Schärfste", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anne Kura. "Körperliche Attacken auf Demokratinnen sind ein Angriff auf unsere Demokratie. Wir sind schockiert, aber wir lassen uns nicht einschüchtern." Gewalt dürfe nie ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, so Kura. Weitere Grünen-Landtagsabgeordnete äußerten sich ähnlich.

Wie Kollenrott der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, ereignete sich der Angriff an einem Wahlkampfstand. Ein Arm sei geprellt, die Verletzung sei von der Polizei dokumentiert worden. Kollenrott musste nach eigenen Angaben nicht ins Krankenhaus. Die 39-Jährige sitzt seit Oktober 2021 im Landtag. Zu ihren Schwerpunkten zählen Umwelt- und Energiepolitik.

Den ersten Erkenntnissen zufolge habe sich der Mann aus Göttingen in Höhe des Wahlkampfstandes in einer Fußgängerzone in der Nähe des Alten Rathauses abfällig über die Grünen geäußert, so die Polizei. Es soll eine kurze politische Diskussion mit dem späteren Opfer gegeben haben. Anschließend sei der Mann auf Kollenrott zugegangen. Er habe der Frau gegen den Oberkörper geschlagen und sich entfernt. Die Landtagsabgeordnete und ein Zeuge nahmen den Angaben nach die Verfolgung auf und alarmierten die Polizei.

Präsident Steinmeier: "Zeit der Bewährung" für Demokratie

Mehrere Angriffe auf Politiker und Wahlkampfhelfer hatte in den vergangenen Wochen bundesweit Entsetzen ausgelöst. In Dresden wurde der SPD-Wahlkämpfer Matthias Ecke krankenhausreif geschlagen, die Kommunalpolitikerin Yvonne Mosler (Grüne) beim Aufhängen von Wahlplakaten angerempelt und bedroht. In Berlin wurde nach einer Attacke auf Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) ein Verdächtiger vorläufig in der Psychiatrie untergebracht. Auch AfD-Politiker waren Ziele von Attacken.

Die Angriffe waren auch Thema bei den Feierlichkeiten anlässlich des 75. Geburtstags des Grundgesetzes. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte in Berlin, viele Menschen fragten, was von den großen Versprechen des Grundgesetzes bleibe, wenn Hass, Diskriminierung und Angriffe nahezu alltäglich seien. Eindringlich mahnte der Bundespräsident, in dieser "Zeit der Bewährung" eine demokratiegefährdende Entfremdung zwischen Politik und Bevölkerung nicht zuzulassen. Politiker und Politikerinnen müssten ihr Handeln erklären und die Fragen der Menschen ernst nehmen. "Es sind keine Extremisten, die sie stellen", betonte Steinmeier. Niemals aber dürfe sich die Gesellschaft an Gewalt im politischen Meinungskampf gewöhnen.

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