Görlitz:Bündnis gegen die AfD

Mitbewerber bei Görlitzer OB-Wahl ziehen zurück

Stellt die AfD in Görlitz bald das erste Mal den Oberbürgermeister einer deutschen Stadt? In zwei Wochen geht es im zweiten Wahlgang darum, wer in den Göritzer Rathausturm einziehen wird.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Eine Grüne zieht zurück zugunsten eines CDU-Mannes: Die OB-Wahl wird zum Testfall für ganz Sachsen.

Von Cornelius Pollmer, Görlitz

Viele politische Entwicklungen Ostdeutschlands lassen sich derzeit in Görlitz besonders gut beobachten, und am interessanten materialisieren sie sich in der Wahl eines neuen Oberbürgermeisters. Im ersten Wahlgang vor gut einer Woche lag Sebastian Wippel (AfD, 36,4 Prozent) vor Octavian Ursu (CDU, 30,3 Prozent) und der von einem Bündnis getragenen Grünen Landtagsabgeordneten Franziska Schubert (27,9 Prozent). Mit Wippels Erfolg im ersten Wahlgang stellt sich vor dem zweiten in knapp zwei Wochen die Frage: Stellt die AfD in Görlitz bald das erste Mal überhaupt den Oberbürgermeister einer deutschen Stadt?

Sebastian Wippel sagt: "Es wird ein knappes Ergebnis, aber es kann zu meinen Gunsten ausgehen." Ein Sieg würde deutlich zeigen, dass die AfD es schaffe, in den Rathäusern anzukommen: "Dann müssten wir uns beweisen und zeigen, dass wir es können." Die Leute hätten in jedem Fall einen Wechsel gewählt, und für einen solchen stünden sowohl er selbst als auch Franziska Schubert.

Diese allerdings hat am Freitag erklärt, nicht noch einmal anzutreten. Sie sagt, Wechsel sei nicht gleich Wechsel, "die Menschen, die mich gewählt haben, wollen eine weltoffene, proeuropäische Stadt. Sie wollen Werte wie Anstand und Herzlichkeit." Von ihrer Bewerbung werde bleiben, dass viele und vor allem viele junge Menschen sich politisch engagiert hätten - für statt gegen etwas. "Dies ist ein großer Gewinn, der Osten kann noch viel mehr davon gebrauchen."

Der grüne Kandidatin tritt nicht mehr an, um den CDU-Mann zu stärken

Schuberts Verzicht wird von allen Seiten als eine Art "Stadtsräson" interpretiert, ein Schritt, um den nicht gerade innig geliebten Kandidaten der CDU zu stärken, damit dieser wiederum den noch weniger geschätzten Wippel verhindere. Octavian Ursu betont nun die Gemeinsamkeiten zwischen seinem Unterstützerkreis und jenem von Schubert. Er will Zugeständnisse an deren Wähler machen, etwa, indem er Schuberts Bemühen um Überparteilichkeit würdigt. So lässt Ursu den CDU-Stadt- und Kreisvorsitz bis zum zweiten Wahlgang ruhen. Er sagt, "damit will ich zeigen, dass die Stadt für mich an erster Stelle steht, erst dann kommt die Partei".

Für die CDU ist die OB-Wahl in Görlitz noch aus einem weiteren Grund von Belang. Die AfD hatte die Abstimmung frühzeitig als Chance auf neues Prestige erkannt und den Kandidaten Wippel sorgsam aufgebaut - mit Erfolg: Auch in den Ergebnissen der Stadtratswahl, die am selben Tag durchgeführt wurde, lässt sich lesen, dass die Person Wippel wesentlich Stimmen für die Partei AfD gezogen hat. Er erhielt gut 17 000 Stimmen, das waren über Parteigrenzen hinweg fast sechs Mal so viele wie der Kandidat mit den zweitmeisten Stimmen. Selbst wenn er im zweiten Wahlgang unterliegen sollte, ist das Projekt Görlitz für ihn und seine Partei wohl noch nicht abgeschlossen.

Vieles spricht dafür, dass die AfD Wippel in Görlitz als Direktkandidaten für die Landtagswahl in Sachsen Anfang September nominiert; er hätte dann gute Chancen, gegen einen CDU-Mann zu gewinnen, der kaum über die Liste seiner Partei ein Mandat bekommen wird und vielen als eine wichtige Brandmauer innerhalb der CDU gilt, wenn es darum geht, eine Koalition mit der AfD auf Landesebene zu verhindern. Dieser Mann heißt Michael Kretschmer, er ist Ministerpräsident des Freistaates Sachsen.

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