Gnade für Christian Klar?:Zweifelsfrei dabei

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Das Urteil gegen Christian Klar belegt, dass der Terrorist vor 30 Jahren an dem Attentat auf Buback beteiligt war. Ob Klar geschossen hat, ist bis heute nicht eindeutig geklärt - verurteilt wurde er aber ohnehin wegen neunfachen Mordes.

Helmut Kerscher

Der Gastbeitrag von Michael Buback in der Süddeutschen Zeitung vom Mittwoch über Christian Klar hat viele überrascht, auch den Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger.

Archivfoto vom 7. April 1977: Der Tatort mit den zugedeckten Leichen von Siegfried Buback (vorne links) und seines Fahrers sowie der Dienstwagen des Generalbundesanwaltes in Karlsruhe (Foto: Foto: dpa)

Überrascht war dieser freilich nur über die Reaktion des Sohnes des einstigen Generalbundesanwalts Siegfried Buback, der von Terroristen getötet worden war. Die in dem Beitrag enthaltene Information, nicht Klar habe am 7. April 1977 in Karlsruhe die tödlichen Schüsse abgegeben, war ihm nicht neu.

"Ich habe dieses Gespräch vermittelt" sagte der 59-jährige Pflieger, der nach dem Buback-Attentat die Anklage mitverfasst hatte, am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion in Karlsruhe.

Mittlerweile hat Buback an den RAF-Informanten appelliert, mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten. Der Täter solle sich zu dem Mord an seinem Vater bekennen, forderte Buback im ZDF.

Bis zu diesem Zeitpunkt war nicht nur darüber gerätselt worden, wer "aus dem Bereich der RAF" Michael Buback informiert hatte, wie dieser schrieb, sondern auch darüber, wie es zu dem Kontakt zwischen dem Sohn des Ermordeten und einer Person aus dem Umfeld der Mörder gekommen war. Nun brachte Pflieger Licht ins Dunkel.

"Das kann ich nur bestätigen"

Er habe gewusst, dass Michael Buback den Todesschützen kennen wollte. Wie sich herausstellte, ging es bei den Kontakten um Telefongespräche. Die auskunftsbereite Person hatte erst den Generalstaatsanwalt angerufen - und dann Michael Buback.

Am Donnerstagabend meldete die Berliner tageszeitung, bei dem Informanten handele es sich um das einstige RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock. Auf die Frage, ob er bestreite, dass Boock der Gesprächspartner Michael Bubacks gewesen sei, habe Pflieger gesagt: "Das habe ich nicht bestritten, das kann ich nur bestätigen."

Die Bundesanwaltschaft wird sich nun erneut mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. April 1985 gegen Klar und Brigitte Mohnhaupt befassen, das sie von Amts wegen verwahrt, bisher aber noch nicht freigegeben hat.

Weil das Urteil nicht einsehbar ist, könnte der Eindruck entstehen, Klar sei ohne zwingende Beweise nach dem Motto "mitgefangen, mitgehangen" verurteilt worden. Dem aber ist nicht so. Es gab mehrere präzise Zeugenaussagen zur konkreten Beteiligung der in Karlsruhe ortskundigen Männer Christian Klar, Günter Sonnenberg und Knut Folkerts an der Ermordung Bubacks, seines Fahrers Wolfgang Göbel und des Leiters der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft, Georg Wurster. Einige Beteiligte der Prozesse zeigen sich noch heute beeindruckt von der Fülle und der Qualität der Zeugenbeweise.

So sei von mehreren Leuten beobachtet worden, wie sowohl das von Sonnenberg gemietete Motorrad als auch der als Fluchtfahrzeug benutzte Alfa Romeo schon Tage vor der Tat im Raum Karlsruhe benutzt worden seien. Unmittelbar nach der Tat hätten Zeugen den Alfa erst unter einer Autobahnbrücke und dann nach der Flucht beobachtet.

So konnten die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart von 1980 (gegen Folkerts) und 1985 (gegen Mohnhaupt und Klar) übereinstimmend feststellen, dass Klar, Sonnenberg und Folkerts am Attentat beteiligt waren.

Stechender Blick

"Wer von ihnen was tat, vermochten beide Senate nicht zu klären", resümiert Butz Peters in seinem Buch "Tödlicher Irrtum - Die Geschichte der RAF". Auch Pflieger lässt als Autor seines Standardwerks "Die Rote Armee Fraktion" die Rollenverteilung zwischen den Männern offen. Am Mittwoch präzisierte er: "Niemand hat behauptet, dass Christian Klar auf dem Motorrad saß oder vom Motorrad aus geschossen hat."

Das gilt allerdings nur für Ankläger und Richter. Ein früherer Klar-Anwalt, Elard Biskamp, meldet sich mit der Erinnerung, eine Krankenschwester habe Klar am Tattag auf dem Motorrad gesehen und ihn an seinem "stechenden Blick" erkannt. Sicher sei jedenfalls, so Pflieger, dass Klar vor der Tat mit Motorrad und Alfa unterwegs gewesen und danach im Fluchtfahrzeug gesehen worden sei. Die Verurteilung als Mittäter sei hieb- und stichfest.

Von beteiligten Juristen ist darüber hinaus zu hören, dass sie Sonnenberg für den Fahrer des Motorrads, Klar für den Fahrer des Alfa und Folkerts für den Sozius gehalten hätten.

Erheblich mehr Schuld

Dass Letzterer geschossen hat, steht damit aber weder für Michael Buback noch für die Fachleute fest. Die Rollenverteilung sei nicht beweisbar gewesen. Im Übrigen sei in den Urteilen festgehalten, dass "mindestens" diese Drei beteiligt waren. Damit ist der an Buback gegebene Hinweis nicht widerlegt, es habe womöglich eine vierte Person gegeben.

Für Pflieger kommt es in der Begnadigungsdiskussion auf den konkreten Tatbeitrag Klars beim Buback-Attentat ohnehin nicht an: Er sei schließlich insgesamt wegen neunfachen Mordes und zahlreicher Mordversuche verurteilt worden.

Klar habe erheblich mehr Schuld auf sich geladen als Mohnhaupt, wie etwa seine Schüsse auf unbeteiligte Menschen bei einem Banküberfall in Zürich zeigten. Es gebe daher gute Gründe dafür, dass seine Mindestverbüßungszeit von 26 Jahren über der von Mohnhaupt liege.

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