Glyphosat:Insektenschutz entzweit die Regierung

Julia Kloeckner, Bundesministerin fuer Ernaehrung und Landwirtschaft, aufgenommen im Rahmen der Pflanzaktion im Hohen H

In einem Schreiben an den Kanzleramtschef beklagt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner eigenmächtige Vorstöße des Umweltministeriums in Sachen Insektenschutz.

(Foto: Florian Gaertner/photothek.de via www.imago-images.de/imago images/photothek)

Der Zwist zwischen Landwirtschaftsministerin Klöckner und Umweltministerin Schulze stellt das geplante Verbot des Herbizids Glyphosat infrage.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

In der Bundesregierung ist ein erbitterter Streit um den Insektenschutz und das umstrittene Herbizid Glyphosat entbrannt. Ausgangspunkt ist ein Schreiben von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner an Kanzleramtschef Helge Braun (beide CDU). In dem Schreiben, verschickt vorige Woche, beklagt Klöckner eigenmächtige Vorstöße des Umweltministeriums in Sachen Insektenschutz. Einwände des Agrarressorts würden übergangen. "Eine angemessene Berücksichtigung der berechtigten Belange der Landwirtschaft ist bei dieser Vorgehensweise nicht gewährleistet", beklagt die Ministerin. Dies sei nicht im Interesse ihres Ressorts und der Union. "Es kann aber auch nicht im Interesse der Bundeskanzlerin sein."

Hinter dem Streit steht vor allem das geplante Glyphosat-Aus. Bereits im Sommer 2019 hatte das Kabinett ein Verbot des Pflanzenschutzmittels bis Ende 2023 beschlossen, zusammen mit einer Reihe weiterer Vorgaben zum Schutz von Insekten. Schon von diesem Jahr an sollte der Einsatz dieses und ähnlicher Herbizide "deutlich" eingeschränkt werden. Die Einigung präsentierte Klöckner seinerzeit zusammen mit Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Doch von der einstigen Eintracht ist nicht mehr viel übrig.

Wie wenig, belegt ein interner Vermerk aus dem Umweltministerium, er liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Das Schreiben ans Kanzleramt, so heißt es darin, sei "ein Zerrbild der tatsächlichen Totalblockade". Klöckner verhindere "jedweden Fortschritt beim gesetzlichen Insektenschutz und bei der Beschränkung von schädlichen Pflanzenschutzmitteln". Ihre Beschwerde im Kanzleramt entbehre "jeder Grundlage".

Während das Agrarministerium die Regeln für das Glyphosat-Verbot erarbeiten muss, ist der Insektenschutz Sache des Umweltressorts. Im Sommer hatte es einen Entwurf dafür vorgelegt. Der Schutz von Gewässern und Biotopen wird darin gestärkt, Böden und Naturlandschaften werden aufgewertet. Auch Lichtquellen, die Insekten anlocken, wollte das Ministerium angehen. Mitte Dezember sollte das Gesetz ins Kabinett. Doch Klöckner sieht sich übergangen, Einwände seien "ignoriert" worden. Die Befassung Mitte Dezember "findet nicht meine Zustimmung", schrieb sie an Braun. Ohnehin müsse man angesichts der "aktuell kritischen Lage" in der Landwirtschaft "sehr genau abwägen, welche weiteren Belastungen (...) den Betroffenen in dieser Phase noch zugemutet werden können".

Damit ist fraglich, ob aus dem Insektenschutz-Programm überhaupt noch etwas wird. Das Landwirtschaftsministerium verweist darauf, das Glyphosat-Verbot werde gerade "erarbeitet". Allerdings brauche es dann noch eine Folgenabschätzung. "Es geht dem Landwirtschaftsministerium ganz offensichtlich darum, Zeit zu gewinnen", sagt Johann Rathke, Agrarexperte bei der Umweltstiftung WWF. Im Bundestagswahlkampf habe das Glyphosat-Verbot keine Chance mehr. Noch schärfer wird das Umweltministerium. Zur rechtlichen Umsetzung der Abmachungen, so heißt es in dem Vermerk, habe Klöckners Ministerium "bislang folgendes geliefert: nichts".

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