Glosse:Das Streifllicht

(SZ) Unsere Verfeinerungskultur, die wir beinahe täglich neu justieren, frisch kalibrieren und zu zunehmender Reife führen, hat uns besonders empfindlich in der Wahl der Vornamen unserer Kinder werden lassen. Dabei nimmt nicht allein die Auswahl, sondern vor allem die Begründung, wenn nicht Rechtfertigung einer Namensentscheidung einen hohen Stellenwert ein. Warum heißt ein frisch geborenes Mädchen überraschend Emma, obwohl in der Familienhistorie keine Tante mit diesem schönen alten Namen auffindbar ist? Dagegen kommt dort der Name Erna zweimal vor, einmal väterlicher-, ein anderes Mal mütterlicherseits. Die Antwort ist zu banal, als dass man sie mit künstlich aufgeladener Spannung hinauszögern dürfte: Erna heißt man heute einfach nicht mehr. Es ist ein Tantenname, eierlikörumweht und erfrischungstuchumwedelt. Andererseits wieder gibt es Namen, deren Attraktivität von welthistorischen respektive kulturgeschichtlichen Trümmern zugekippt ist. Und natürlich gibt es jenen einen, leicht auszusprechenden und doch unaussprechlichen Namen, von dem man lange glaubte, er sei ein für allemal aus unseren Familienbüchern verbannt: Kevin.

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