(SZ) „Wen der Herr liebet, den straft er“, heißt es in der Lutherbibel. Und tatsächlich sind die höheren Mächte in vielen Religionen recht erfinderisch mit dem Sanktionieren von Missetaten ihrer Schäflein hienieden. Mitunter ist sogar zweifelhaft, ob das Gebaren der Götter noch in Einklang zu bringen ist mit der Fortsetzung des Bibelsatzes über den Herrn und den Gestraften: „..., und hat doch Wohlgefallen an ihm wie ein Vater am Sohn.“ So lockten die Göttinnen Athene, Hera und Aphrodite Trojas Königssohn Paris geradezu in eine Falle, als sie ihn zum Schönheitswettbewerb einluden. Ein moderner Mann von heute wäre niemals darauf hereingefallen wie dieser törichte und leicht betörte Wicht. Er hätte, wie es die Sitte seiner Kreise verlangt, auf Social Media beteuert, nach einem Prozess der inneren Reinigung von toxischer Männlichkeit geläutert zu sein. Paris aber wählte die Aphrodite, und bei allem Verständnis für die Verschmähten: Ihre Strafe, bei der am Ende ganz Troja in Feuer und Blut unterging, erscheint für den Tatbestand gekränkter Eitelkeit doch ein klein wenig übertrieben.
Aber wie heißt es doch: Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort. Drei Jahre selbstverliebter Tiraden von Christian Lindner in der Ampelkoalition sind in welthistorischen Dimensionen betrachtet eher ein geringfügiges Vergehen, und der Herr hat ihn samt seiner Partei dafür umgehend ins Reich des Vergessens verbannt. Ob er den FDP-Chef dabei wohlgefällig betrachtete wie der Vater den Sohn, mag zweifelhaft erscheinen. Aber unmöglich ist es nicht, vergleicht man, zu welch drakonischen Strafen sich die olympischen Götter schon in geringeren Fällen hinreißen ließen, wir sagen nur: Sisyphus.

Glosse: Das Streiflicht:Dieses Tier hat viel politisches Potenzial
Die Linken-Politikerin Heidi Reichinnek möchte sich das Bild einer Hyäne tätowieren lassen. Eine gute Entscheidung.
Bei gravierenden Sünden lässt sich der Himmel aber oft Zeit. So schlug der Herr aus Zorn darüber, dass sie 1914 den Kriegskrediten zugestimmt hatte, die SPD Jahrzehnte später mit den Jungsozialisten. Er gab der Mutterpartei einen Geist, oder besser einen Quälgeist, der stets verneint, was sie ersinnt, und der dies auch meist ohne jeglichen Bezug zur Realität in dieser geplagten Welt tut. In Gestalt des Vorsitzenden Philipp Türmer hat der SPD-Nachwuchs soeben wissen lassen: Ein Nein zum Koalitionsvertrag mit der Union, wie es die Jusos selbstredend fordern, „wäre keine Staatskrise“. Man weiß nicht, was die Jungsozialisten unter einer Staatskrise verstehen, schon weil von jeher wenig von dem zu verstehen war, was die Spezialisten für staatsmonopolistischen Kapitalismus vorbrachten. Aber offenbar wäre in einem Land, das in der Ära Trumps und Putins ohne Regierung und ohne politische Alternative zu einer schwarz-roten Koalition dastünde, aus Juso-Sicht alles in Ordnung. Ob der Himmel die Strafe für die SPD jemals aufhebt? Sie büßt doch seit Jahrzehnten. Aber Götter sind eben auch nur Menschen.