(SZ) Der fränkische Ministerpräsident Bayerns steht der Bratwurst näher als der Redekunst. Sagen manche. Dies hat ihn noch nie daran gehindert, mehr zu reden als zu essen. Gewiss, er isst viel und oft (siehe auch #söderisst), aber er redet eindeutig noch mehr. Neulich zum Beispiel sagte er, auf der Kandidatur von Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht „liegt kein Segen“. Weil man Markus Söder, so wie Donald Trump oder sogar Alexander Dobrindt, ernst nehmen soll, auch wenn sie Zeug daherreden, ist es angebracht, über den Segen als solchen nachzudenken. Die immer weniger werdenden Christen in diesem Land zum Beispiel wissen, dass der Pfarrer (bei den Evangelischen auch die Pfarrerin) die Gemeinde segnet. Gehet hin in Frieden, heißt es da, was ein guter, um nicht zu sagen frommer Wunsch ist. Den Gesegneten soll es spirituell wie überhaupt besser gehen als vorher. Und der Segnende möchte gerne, dass die Gesegneten einen Anteil an der Gnade Gottes verspüren.
Kein Zweifel, Frau Brosius-Gersdorf geht es im Moment nicht besser als vorher. Vermutlich spürt sie auch keinen Anstieg der Gnade Gottes ihr gegenüber. Dies könnte daran liegen, glaubte man denn an die Segnungskraft zum Beispiel eines Erzbischofs, dass der von Bamberg die Kandidatin zunächst nicht nur nicht segnete, sondern, rein spirituell gesehen, eher verdammte. Er hat sich später – war der bocksbeinige Versucher vorher im Spiel? – zwar entschuldigt. Aber lässt sich eine solche Entsegnung durch eine Entschuldigung wettmachen? Und ist es möglich, zuerst Segen vom Segenskonto zu nehmen und später wieder etwas draufzuschaufeln, weil der Bischof nicht in der Lage war, falsches Zeugnis von der Wahrheit zu unterscheiden? Der Segen also lag offenbar nicht auf dem Bischof Herwig Gössl, dem ein Hashtag „#Gösslbereut“ gut anstünde. Allerdings sind solche Hashtags unter manchen katholischen Bischöfen (siehe auch Woelki, Rainer Maria) sehr unbeliebt. Unter anderem deswegen gehen immer weniger Menschen in die Kirche.
Segen für andere zu erbitten, hat viel mit gutem Willen zu tun. Wenn aber ein Hauptvertreter jener, die einem bestimmten Menschen keinen Segen erteilen wollen, mit sonorer Stimme feststellt, auf diesem Menschen liege kein Segen, ist das ungefähr so, wie wenn der Metzger dem Rind mitteilt, er bedauere dessen Schicksal. Nun ist das Mitleid des Metzgers nicht unbedingt mit dem bestimmt konstruktiv gemeinten Vorschlag Söders zu vergleichen, die SPD könne doch Frau Brosius-Gersdorf „zurückziehen“. Aber dennoch wäre unter Segensgesichtspunkten zu bedenken, dass Christen den Verfolgten und Gedemütigten beispringen sollten. Wäre es nicht angebracht, an diesem Sonntag in den Fürbitten in Bamberg, Köln und anderswo die Richterkandidatin zu berücksichtigen, gar um Segen für sie zu bitten?