(SZ) Es gibt viele gute Gründe, immer und überall auf der Hut zu sein, besonders im sogenannten politischen Berlin. Da passt man mal einen Moment nicht auf, als argloser Bundestagsabgeordneter, und schon ist man im Ausschuss für Digitales und Staatsmodernisierung gelandet, obwohl man bisher doch ganz hervorragend zurechtkam mit dem Faxgerät im Wahlkreisbüro und dem Festnetzanschluss des Bundestags. Sicherer ist es, seinen Hut rechtzeitig in den Ring zu werfen, sonst muss man selbigen am Ende schneller nehmen, als einem lieb ist. Kurz: In einem derartigen Arbeitsklima tut man gut daran, stets wohl behütet unterwegs zu sein zwischen Plenarsaal, Fraktionsebene und Bundestagskantine. Denn im Reichstagsgebäude weht einem nicht nur dann der Wind kalt ins Gesicht, wenn man gleichzeitig mit der Eiskönigin Alice I. in den Aufzug steigen muss.
Es ist also kein Wunder, dass der Linken-Abgeordnete Marcel Bauer kürzlich mit Baskenmütze im Plenarsaal aufkreuzte. Die ist ja in jeder Hinsicht ein sympathisches Kleidungsstück; aus Wolle gewalkt, mit lustigem Zipfel und einem Stammbaum, der bis ins 16. Jahrhundert reicht. Damals schmückte und wärmte sie die Köpfe von Bauern und Hirten in den Pyrenäen und Fischern im Baskenland, um einige Hundert Jahre später auf Künstlerköpfen wie denen von Picasso, Rodin oder Marlene Dietrich immer noch eine gute Figur zu machen. Chapeau! Dass der Linke Bauer zur Baskenmütze griff, könnte natürlich auch daran liegen, dass diese spätestens seit Che Guevara zusätzlich noch der Hauch der Revolution beziehungsweise revolución umweht. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner allerdings zeigte sich trotzdem mäßig beeindruckt. Sie verwies erst auf die „Gepflogenheit hier im Haus“ und dann Bauer des Saals.
Damit allerdings hat die Rheinland-Pfälzerin leider eine Großchance vergeben. Klöckner, die als Karnevalistin ja zumindest auf dem weiten Feld der Narrenkappe über einige Expertise verfügt, hätte den Vorfall lieber dazu nutzen sollen, einen parlamentarischen „Ugly Hat Day“ aus dem Hut zu zaubern, analog zum „National Ugly Holiday Sweater Day“, an dem man bekanntlich in einem möglichst grauenhaften Weihnachtspulli im Büro auftaucht, Hashtag teambuilding. In der AfD könnten sie dann endlich mal den Stahlhelm aus dem Keller holen, das Bundestagspräsidium würde mit Jakobinermützen dagegenhalten, während der Kanzler mit Veltins-Basecap auf der Regierungsbank mehr Sauerland für Deutschland wagt und Alexander Dobrindt sich den Lieblingstrachtenhut von Markus Söder ausleiht. Für einen Tag wären alle Interessen unter einen Hut gebracht! Doch daraus wird leider nichts. Klar, Baskenmützenträger Bauer hätte es theoretisch noch über den Petitionsausschuss versuchen können. Aber selbst das kann er sich jetzt an den Hut stecken – er ist im Agrarausschuss gelandet.