(SZ) Dem Bodensee geht langsam das Wasser aus, der Pegelstand fällt wie eine Tesla-Aktie, und wenn das so weitergeht, wird man vom Turm des Konstanzer Münsters eines Tages mehr Seeboden als Bodensee sehen. Auch der Rhein trocknet aus, so manches Boot muss im Hafen bleiben, sehr zum Unmut der zauberschönen Loreley, die jetzt keine Opfer mehr findet. In Nordrhein-Westfalen brennen die Wälder, im Osten Deutschlands sehen die Äcker aus wie Staubpisten, und der Deutsche Städtetag ruft zu sparsamem Umgang mit Wasser auf. Gottlob gibt es Alternativen, Bier zum Beispiel – aber wie kriegt man das in die Dusche? Holla, es ist April, traditionell ein Monat, dessen Wettergebaren so wankelmütig ist wie Trumps Zollpolitik. Im April, so war es seit Menschengedenken der Brauch, regnet es, dann scheint wieder die Sonne, gelegentlich bereichert Graupel das Wetterportfolio, und die Schneeschmelze in den Bergen füllt Flüsse, Seen und Keller. Aber was für die ganze Welt gilt, gilt auch für den deutschen Frühling: Nichts ist mehr wie früher. Es ist, als entfalte ein alttestamentarischer Fluch seine Wirkung: „Der Herr verwandelt den Regen, den dein Land erhält, in Staub. Asche fällt vom Himmel auf dich herab, bis du vernichtet bist.“
Zugegeben, das ist zart übertrieben, und überhaupt sollte man nicht jede Misere auf den Herrgott im Himmel schieben. Meteorologen und Klimaforscher betrachten die Dürre eher als Folge der Erderwärmung, wofür – und jetzt wird es ganz heikel – der Mensch verantwortlich wäre. Nun ja, das ist bloß die Meinung von Experten, der normale Bürger, der von Natur aus tiefer blickt, weiß es besser. Trockene Zeiten, sagt er mit jener Überzeugung, die allein der Unwissende genießt, habe es immer gegeben, zuletzt ja 1540, die große Dürre in Mitteleuropa. Rhein, Donau und Elbe sind damals zu Rinnsalen verkommen, der Bodensee war eine Pfütze, und weil die Katastrophe nur auf Magie beruhen konnte, loderten die Hexenfeuer. Damals gab es keine Klimaexperten. Hätte es sie gegeben, wären sie ebenfalls verbrannt worden.
Gut möglich, dass sich einige Leute nach diesen Zeiten zurücksehnen. Natürlich nicht die künftige Bundesregierung, ja nicht mal der Schattenkanzler Söder, wenngleich – aber lassen wir das. Dass der Rhein es nur noch mit Mühe bis zur Mündung schafft und die ersten Bauern erwägen, Kakteenfrüchte anzubauen, hat das schwarz-rote Bündnis nicht aus der Ruhe gebracht. Womöglich war das Wort „Erderwärmung“ bei den Koalitionsverhandlungen verboten, so wie man in Gegenwart ängstlicher Menschen ja auch nicht vom Teufel spricht. Immerhin ist Merz und Klingbeil zuzubilligen, dass ihre Klimapolitik im Zeichen der Dürre steht. Ja, sie sind entschlossen, für die Klimaziele ganz neue Wege zu gehen. Einer steht bereits fest: die Bremsspur.