(SZ) In Texas hat sich ein großer Moment ereignet. Zum Glück hat die Frau von Boris Johnson, dem ehemaligen britischen Premierminister, das Video gepostet. Sonst hätte die Welt nie von dem warmen Willkommensgruß erfahren, der Johnson entboten wurde. Die Johnsons sind gerade auf Familienurlaub und fahren mit einem Auto durch einen einen Tierpark. Johnson hat die Seitenscheibe runtergekurbelt. Da erscheint ein neugieriger Strauß am Fenster. Für Johnson ist das nichts Neues, als gelernter Politprovokateur wusste er schon immer das Interesse der Öffentlichkeit auf sich zu lenken und zu steuern, so lange zumindest, bis nur noch seine Affären die Reaktionen steuerten. Also schaut er den Strauß freundlich an, genau wie ein Skandalpolitiker das machen sollte: mit der Körpersprache eines Mannes, der nichts zu verbergen hat, den Blick fest auf seinen neuen Fan gerichtet. Aber dann tut der Strauß etwas für einen Strauß Ungeheures: Statt den Kopf in den Sand am Wegesrand zu stecken, wie es ganz im Sinne von Johnson auch viele Briten vor und nach dem Brexit getan haben, schnappt er nach Johnson. Dieser flucht, während seine Tochter vor Freude quiekt. Fenster hoch und schnell weg.
Nun beschränkte sich bislang die Begegnung von Politikern mit wilden Tieren auf jene Zeiten, als in England noch Treibwildjagden zu Ehren von Premierministern abgehalten wurden oder Staatsoberhauptbesuche in neuen Zoos. Was soll das politisch auch bringen? Ein Eisbär frisst im Zweifelsfall auch Parteiführer mit Haut und verstrubbelten Haaren und ist als Stimmvieh deswegen vollkommen ungeeignet. Vielleicht waren in den vielen Sendungen von „Stars in der Manege“ deshalb immer nur Schauspieler, Sportler und Moderatoren im Circus Krone zu Gast. Selbst unter den Zirkusdirektoren fand sich nie ein Helmut Schmidt, Helmut Kohl oder eine Angela Merkel – eigentlich alles Peitschenschwinger der Sonderklasse auf ihre jeweilige Weise. Das Tier im Wähler zu bändigen, war ihnen offenbar Aufgabe genug.
Ist Johnson als Straußenbändiger gescheitert? Mitnichten. Was da in Texas geschehen ist, eröffnet Johnson, wie überhaupt allen Politikern, neue Möglichkeiten, den Wähler zu verstehen, also im besten Fall nach dem Schnabel zu reden. Beim mehrmaligen Anschauen des Videos fällt auf, dass der Strauß den ehemaligen Vorsitzenden des Commonwealth of Nations nämlich gar nicht respektlos beißt oder fies und kleinmädchenhaft zwickt. Er pikst ihn vielmehr fast liebevoll in die füllige Seite. Sicher möchte er sagen: Komm, Boris, sei kein Frosch, jetzt rück mal etwas Schmackhaftes raus. Wenn dich also mal wieder der Wähler in freier Wildbahn kiekst, Boris, dann weißt du, er findet dich im Grunde ganz okay und hat bestimmt vergessen, dass du dich selbst einmal benommen hast wie vom wilden Affen gebissen.