GlosseDas Streiflicht

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Catherine Deneuve hörte Maria Callas, die in Paris unter ihr wohnte, durch den Kaminschacht singen. Das wirft ein apartes Licht auf den Schornstein und seine Rolle in der Musikvermittlung.

(SZ) Die Avenue Foch gilt als die exklusivste Wohnstraße von Paris. Auf Nummer 44 lebte der Schauspieler Fernandel, der als Filmpfarrer Don Camillo stets mit Peppone, dem Ortsbürgermeister, aneinandergerät. Was ihm in der Avenue Foch eine Zeit lang das Leben sehr erschwerte, war die zwei Etagen unter ihm wohnende Sängerin Maria Callas. Sie tat das in zweifacher Hinsicht. Zum einen lebte sie ihren hoch lodernden Streit mit Aristoteles Onassis derart heißblütig aus, dass Fernandel so gut wie nichts davon verborgen blieb. Zum anderen probte sie damals die „Norma“ von Bellini, eine Partie von extremen technischen und stilistischen Anforderungen. Ihre Mitbewohner beschwerten sich in aller Form, und Fernandel soll laut France Dimanche gesagt haben: „Sie fängt an, mir auf die Nerven zu gehen.“

Das Musizieren in Wohnungen ist durch die Gerichte mittlerweile leidlich geregelt. Es gilt als sozialadäquat, weil es der freien Entfaltung der Persönlichkeit dient, und muss daher geduldet werden, mit billiger Rücksicht natürlich auf das ebenso legitime Recht der Nachbarschaft auf möglichst ungestörtes Wohnen. Das hört sich gut an, besser jedenfalls, als wenn die im Souterrain wohnende Primadonna des städtischen Theaters für den „Freischütz“ probt und bis in die Nacht hinein „Leise, leise, fromme Weise! Schwing dich auf zum Sternenkreise!“ singt. Die fromme Weise lässt sich das gesagt sein und schwingt sich, wie es in der Natur von Tönen liegt, durch alle Mietwohnungen hinauf zum Sternenkreis. Und was sind die Folgen? Blinder Hass auf die Oper, insbesondere den „Freischütz“, zwischenmenschliche Verwerfungen sowie Mietminderungsforderungen gemäß Paragraf 536 Absatz 1 BGB.

An dieser Stelle betritt Catherine Deneuve die Szene. Auch sie hat in Paris mal mit Maria Callas in einem Haus gewohnt, und zwar ein Stockwerk über ihr. Doch anders als bei Fernandel, der eine Etage als Puffer zwischen sich und der Sängerin hatte, waren die Deneuves von deren Kunst so angetan, dass sie, wie es hieß, die Ohren auf den Fußboden pressten, um sie singen zu hören. Mit dieser Legende hat die Schauspielerin jetzt in der FAZ aufgeräumt. „Vielmehr“, sagte sie dem Blatt, „hörten wir sie durch den Kaminschacht.“ Den habe die Callas vergessen, als sie ihr Apartment isolierte. War bei Fernandel der Ärger zweifach, so war es hier der Nutzen. Einerseits konnte Catherine Deneuve sich manche Opernkarte sparen, andererseits fällt auch für den Kamin Positives ab. Sein literarisches Leben ist ja fast ganz auf Polizeiberichte beschränkt, in denen sich Ganoven nach Art des Weihnachtsmanns durch den Schornstein davonmachen wollen und darin stecken bleiben. Und was die Paarung „Musik & Kamin“ angeht, so steht sie für gehobene Langeweile. Durch Maria Callas ist der Kamin nahe an den Adel der Musikinstrumente herangerückt.

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