GlosseDas Streiflicht

Lesezeit: 2 Min.

Der Führerschein ist manchmal schwerer zu bekommen als das Abitur. Jetzt könnte alles einfacher werden, und die Verkehrsregeln werden nur noch Empfehlungen sein.

(SZ) Armin Laschet, der Kanzler der wenigen Herzen, ist mit Tempo 97 in Aachen geblitzt worden, und danach war für einen Monat der Lappen weg. Was hat der arme Mann, mal abgesehen von seiner CDU-Mitgliedschaft, nur angestellt, dass ihm der Gott des Gelingens stets die lange Nase zeigt? Als Kanzlerkandidat eine Bundestagswahl zu verlieren, ist gewiss ärgerlich; aber den Führerschein zu verlieren, ist noch eine ganz andere Nummer. Der Führerscheinentzug ist eine Verlusterfahrung existenziellen Ausmaßes, ganz besonders im Autoland Deutschland, das gerade vom Großen Zollpatsch im Weißen Haus bedroht wird. Jeder, der am Ende der Führerscheinprüfung die Lizenz zum Fahren erhält, kennt dieses Hochgefühl, das noch aufregender ist als der erste Kuss, das erste Tattoo, das erste T-Bone-Steak: Bis jetzt war man nur ein Mensch. Aber nun ist man Autofahrer.

Ähnlich gewissen Praktiken im antiken delphischen Dionysos-Kult ist die Fahrprüfung ein Initiationsritual an der Schwelle des Erwachsenwerdens. Nur Fahrlehrer sehen das anders. Statt der religionsgeschichtlichen Bedeutung ihres Berufs Rechnung zu tragen, betrachten sie die Prüfung schlicht als den Abschluss einer Schulbildung, die aber wichtiger und schwieriger ist als das Abitur. Deshalb verwundert es nicht, dass im vergangenen Jahr 45 Prozent der Fahrschüler bei der theoretischen Prüfung durchrasselten. Im Praxistest scheiterte ein Drittel der Prüflinge, was unterm Strich zeigt, dass Führerscheinanwärter auch nicht schlauer sind als manche Verkehrsminister der Vergangenheit. Dem ADAC zufolge kostet die Fahrerlaubnis bis zu 4500 Euro, eine deprimierend hohe Summe, für die man eine akzeptable Gucci-Handtasche bekäme. Viele junge Leute haben am Ende zwar den Schein, aber fürs Auto reicht es nicht mehr. Es sei denn, der Herr Papa schenkt ihnen seinen Tesla, weil er es satthat, bei jeder Fahrt beschimpft zu werden.

Angesichts der Misere fordern die Verkehrsminister der Länder, die Führerscheinausbildung „praxistauglicher“ zu gestalten. Was das bedeutet, weiß jeder, der mit dem Auto, dem Rad, dem E-Scooter oder zu Fuß unterwegs ist: Verkehrsregeln zu lernen, ist überflüssig. Hält sich doch niemand dran. Wer früher bei Rot über die Ampel fuhr, hatte vielleicht einen Sekundenschlaf; wer das heute tut, folgt der Devise: Ich lass mir doch nicht vorschreiben, wie ich zu fahren habe! Wie in der Politik der Trumps und Putins gilt auf der Straße das Recht des Stärkeren. Für den Fahrschüler heißt das: Es kommt nicht darauf an, die Verkehrszeichen zu kennen, entscheidend ist ein entspanntes Verhältnis zur Rücksichtslosigkeit, das den Fahrer befähigt, auch ohne SUV ans Ziel zu gelangen. Im Grunde ist der Führerschein so unzeitgemäß wie Anstand oder Klimaschutz. Um fahren zu dürfen, sollte eine Ausbildung als Kampfpilot genügen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: