GlosseDas Streiflicht

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Männer reden wenig. Aber wenn sie reden, reden sie länger. Meistens sind lange Reden leider langweilige Reden.

(SZ) Vom Mann heißt es, er rede nicht gern. Er sitzt auf der Couch, und wenn ihn seine Partnerin m/w/d anspricht, brummt er nur. Wird er „Was denkst du gerade?“ gefragt, sagt er: „Nix.“ Spricht er dennoch, zum Beispiel in der Firma, gilt er als Mansplainer, zusammengesetzt aus man und to explain, also männlicher Erklärer oder, weniger freundlich, Machoschwätzer. Der Mansplainer lässt keinen Zweifel daran, dass er zu wissen glaubt, wie fast alles geht. Und dass seine Erfahrung mehr zählt als Erkenntnisse oder gar Meinungen anderer. Es gibt auch weibliche Mansplainer, denen man zwar nicht so häufig ausgesetzt ist wie ihren männlichen Kollegen, die aber keineswegs selten sind. Wenn in einem Meeting Mansplainer beiderlei Geschlechts aufeinandertreffen, ist es besser, man geht eine rauchen. Falls man nicht raucht, kann man sich auch unauffällig mit den vielfältigen Möglichkeiten beschäftigen, die das Klugtelefon bietet. Schwätzer und Innen sind schlimmer als die hartnäckigsten Schweiger.

Kein Schweiger ist Cory Booker. Der Senator aus New Jersey, einem US-Bundesstaat, der vor allem als die Heimat Bruce Springsteens bedeutend ist, hat gerade die längste Rede in der Geschichte des US-Senats gehalten. Booker sprach 25 Stunden und vier Minuten. Ohne Pause. Streng genommen war es kein klassischer Filibuster, also keine Mammutansprache mit dem Ziel, durch die Sprengung der Tagesordnung eine Abstimmung über ein ungeliebtes Thema zu verhindern. Booker wollte das, was viele Langredner am Pult und auf dem Küchenstuhl wollen: Aufmerksamkeit. Mit seiner Rekordansprache wollte der (Sozial-)Demokrat einerseits gegen die Politik des unzurechnungsfähigen Gelbhaarigen protestieren. Andererseits wollte er zeigen, dass die Demokraten in Washington noch eine Rolle spielen. Das erinnert ein wenig an Lars Klingbeil, der glücklicherweise nicht so lange redet, aber dennoch in den Koalitionsverhandlungen alles tut, um den Eindruck zu erwecken, die Sozialdemokraten seien in Berlin noch richtig am Leben. Allerdings ist Friedrich Merz auch nicht gelbhaarig.

Im US-Senat gibt es keine Begrenzung der Redezeit. Im Bundestag schon. Die Lebenserfahrung seit Cato dem Jüngeren lehrt, dass es fast nie gut ist, wenn Menschen zu lange reden. Was „zu lange“ bedeutet, hängt entscheidend auch von der redenden Person ab. Läse James Joyce seinen „Ulysses“ vor, wäre dies, trotz näselndem Irentum, phänomenal. Einen anderthalbstündigen Monolog von Gerhard Polt hielte man besser aus als zwanzig Minuten Hubert Aiwanger. Und die Vorstellung, Boris Pistorius würde drei Stunden lang im Bundestag kleinfilibustern, könnte die Russen vielleicht mehr abschrecken als 500 neue Leopard-Panzer. Der Rede als solcher jedenfalls wohnt gewaltige Kraft inne. Den meisten Rednern und Rednerinnen leider nicht.

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