GlosseDas Streiflicht

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Wem die Welt schlechte Laune macht, hat nicht begriffen, wie viel Heiterkeit ein Gläschen Champagner auslösen kann.

(SZ) Otto von Bismarck, der es vom Heringsverkäufer zum Reichskanzler gebracht hat, gab einmal eine Handreichung für effizientes Seelenmanagement in Krisenzeiten: „Folgen Sie meinem Rate und meinem Beispiel, trinken Sie eine Flasche Champagner und essen Sie ein paar Dutzend Austern dazu, und ich bin überzeugt, dass Ihnen die Weltlage sofort in einem weit rosigeren Lichte erscheinen wird.“ Sollte Bismarck recht haben, dann wäre der Champagner das Getränk der Stunde. Ein Gläschen Schampus am Morgen, und schon haben Putin, Trump oder Musk ihren Schrecken verloren. Ist das so? Ja, das ist so, denn mit jedem Schluck nimmt der Mensch diese kleinen prickelnden Bläschen auf, die sofort ins Gehirn steigen und dort, indem sie zerplatzen, ein neuronales Feuerwerk entfachen, das dem rauschhaften Wahn des Verliebtseins gleicht und dem Trinker vorgaukelt, die Welt, selbst der Kreml und das Weiße Haus, wären bevölkert mit rosaroten Einhörnern. Die Wissenschaft erklärt die Schaumweinwirkung zwar anders, aber was wissen Wissenschaftler schon von Champagner und Liebe.

Nun aber hört man mit Befremden, dass der Champagnerverkauf im vergangenen Jahr weltweit um neun Prozent gesunken ist. Dabei hätte die Menschheit Gründe genug gehabt, sich die Lage im Geiste Bismarcks schönzutrinken. Aber nein, einzig die Herren im Kreml lassen minütlich die Champagnerkorken knallen, seit Trump die US-Präsidentenwahl gewonnen hat. Man wüsste gerne, ob Putin dabei auf den „nützlichen Idioten“ anstößt, wer immer das sein könnte. Ganz anders die Schampuslage in Deutschland. Hier sind die Leute so mies drauf, dass sie ihre Sorgen nicht mal mehr der Witwe Clicquot anvertrauen und gleich zum Alkohol greifen. Nur 9,5 Millionen Bouteillen haben sie 2014 geordert, zwei Millionen weniger als im Vorjahr.

Jetzt aber hofft die Schampusbranche, dass ein Teil des deutschen 500-Milliarden-Sondervermögens für Investitionen zum Spirituosenerwerb in die Champagne fließt. Doch das ist eine Champagnermädchen-Rechnung. Wer würde Friedrich Merz, einem Mann, der erst die Schuldenbremse feiert und sie dann verwirft, eine so große Summe borgen? Auch Jakob Fugger, der sogar dem verschwenderisch wie ein Sozi agierenden Kaiser Maximilian I. Kredite gewährte, hätte Merz keinen Gulden ausgehändigt. Der Mann hat das Vertrauen verspielt. Übrigens genauso wie Wolfgang Grupp, der frühere Chef der Textilfirma Trigema. Der hat gestanden, dem Schimpansen Charly, mit dem er jahrelang für Trigema Werbung machte, nie begegnet zu sein. Dabei galt Grupp als seriöser und zudem schwäbischer Unternehmer – und jetzt das! Wenn selbst alemannischen Geschäftsmännern und ihren Affen nicht mehr zu trauen ist, steht das Land am Abgrund. Zeit also, eine Flasche Schampus zu schlürfen. Oder ein Dutzend Austern.

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