(SZ) Als Amerika noch nicht in Maga-Fieberträumen lag, „great again“ zu sein, sondern eine Hoffnung war, da sang die nach ihrem schönen Land benannte Band America ihren wunderbaren Song vom Pferd ohne Namen: „I’ve been through the desert on a horse with no name.“ Die Wüste, die der Reiter des namenlosen Pferdes aufgesucht hatte, war ein Ort der Ruhe, und zwar hitzeinduzierter, aber doch friedlicher Visionen. Die Kulturgeschichte ist voll solcher Reisen ins Nirgendwo, Ausritten freier Männer in den Sonnenuntergang oder auch der vier Bremer Stadtmusikanten, die aus guten Gründen überzeugt sind, etwas Besseres als den Tod unterm Schlachterbeil sei überall zu finden. Mitunter entspringt die Reise ins Nirgendwo einem jähen Überdruss. Unvergessen Udo Jürgens’ melancholischer Familienvater, der noch niemals in New York war oder in San Francisco oder auf Hawaii, und im Treppenhaus beim Zigarettenholen ganz kurz darüber nachdenkt, einfach hinauszugehen und nie mehr zurückzukommen ins Treppenhaus, das nach Bohnerwachs riecht und Spießigkeit. Meistens bleibt derlei ein Traum, und oftmals ist es sogar besser so.
Ungeklärt ist bislang der Fall eines Paketfahrers, der jählings seine gewohnte Route bei Kempten im Allgäu verließ und 600 Kilometer weiter reiste, bis ins westdeutsche Hamm. Nichts Böses über Hamm, aber die lockenden Reize der Stadt als Motiv dürften die Ermittler guten Gewissens nachrangig behandeln. Fahndungsarbeit orientiert sich schließlich an Wahrscheinlichkeiten. Der Wagen wurde gefunden, Fahrer und Pakete fehlen. Ob den Mann die Monotonie des täglichen Treppauf, Treppab das Weite suchen ließ? Die immer höher wachsenden Paketstapel im Lager, gleich wie schnell er wie viele auslieferte? Die mürrischen Nachbarn, die vorwurfsvoll den Kopf schütteln auf die Frage, ob sie vielleicht das Päckchen aufbewahren für die Dame nebenan. Wir wollen nicht dem Gesetzesbruch das Wort reden, aber vielleicht hat der flüchtige Fahrer aus den Paketen ja genug Schönes gekramt, um seine eigene Wüste des Friedens zu finden – denn dort, so heißt es bei America glaubhaft, „there ain’t no one for to give you no pain“, dort ist keiner, der dir Schmerzen bereitet.
Dummerweise kehren manche, die niemand vermisste, als sie fortreisten, plötzlich wieder und verursachen dann eine ganze Menge Schmerzen. Donald Trump kam ins Weiße Haus zurück und betreibt dort eine neue Horrorclown-Show, und kein Pferd ohne oder mit Namen ist zu sehen, das ihn forttragen würde. Und in Deutschland rücken sie wieder an, die Gestalten aus tausend Jahren, von denen man gehofft hatte, sie blieben in der Wüste verschollen. Und da bleibt, um – nicht ganz korrekt – ein weiteres Lied aus wilden Jahren des Rock anzuführen, von Janis Joplin, nur eine Hoffnung: „Oh Lord, won’t you buy them a Mercedes-Benz.“