Glosse:Das Streiflicht

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Die Wissenschaft will festgestellt haben: Die alten Römer wurden immer dümmer. Dabei beheizten sie ihre Häuser sogar ohne Heizungsgesetz.

(SZ) Im 1910 erschienenen „Liederbuch für die deutsche Turnerschaft“ finden sich die jeden Turner zu kühnen Felgaufschwüngen ermunternden Zeilen: „Zuletzt wird alle Welt gescheit, die Dummen sterben aus.“ Vier Jahre später fielen die Völker mit den fürchterlichsten Tötungsmaschinen übereinander her. Die Welt war eben nicht gescheit geworden, und auf den Schlachtfeldern starben die Dummen ebenso wie die Klugen. Die Dummheit als solche aber hat überlebt, und wenn der schwäbische Weltgeist-Philosoph Hegel die Menschheitsgeschichte als Erfolgsstory der Vernunft betrachtet, so wäre schon um der Dialektik willen zu ergänzen, dass die Dummheit darin ein gewichtiges Wort mitredet. Was passiert, wenn Dummköpfe auf einen Menschen treffen, der etwas mehr Grips im Kopf hat, schildert der bayerische Verhaltensforscher Gerhard Polt in seiner Studie „Attacke auf Geistesmensch“: Am Ende liegt der Geistesmensch, ein Nobelpreisträger, mit Schädelbruch auf dem Boden. Es ist nun mal die Faust, die die schlagkräftigeren Argumente hervorbringt.

Zur heute noch immer, ja eigentlich erst recht brisanten Frage, wie es kommt, dass halbe Völker der Dummheit anheimfallen, haben die Wissenschaftler vom Desert Research Institute in Reno, Nevada, soeben eine interessante Theorie vorgelegt. Die Forscher haben arktische Eisbohrkerne nach Bleispuren abgeklopft, und dabei kam heraus, dass in der Zeit des Römischen Reichs infolge des Bergbaus extrem viel Blei in der Luft lag. Und weil man weiß, was das Schwermetall im Gehirn anrichtet, erkühnten sich die Wissenschaftler zu der These: Der Intelligenzquotient der Bewohner Europas ist damals um zwei bis drei Punkte zurückgegangen. Anders gesagt: Die alten Römer wurden immer dümmer. Man kann das gar nicht glauben, hatten doch viele von ihnen das Große Latinum, ein Abo für die Gladiatorenspiele und Heizungen ohne Wärmepumpe. Andererseits muss es Gründe geben, warum die Römer regelmäßig von zwei aufmüpfigen Galliern verprügelt wurden und schließlich ganz untergingen.

Vielleicht waren die Römer schlichtweg zu gebildet, womöglich angekränkelt durch des Gedankens Blässe, sodass sie dummdreisten Barbaren in derselben Weise zum Opfer fielen wie Polts Geistesmensch. Aber das sollen mal unabhängige Faktenprüfer klären. Heute jedenfalls sind die dummdreisten Barbaren wieder auf dem Vormarsch, die Dummheit breitet sich aus wie ein Virus, dem nicht mal Lauterbach die Stirn bieten kann. In Mar-a-Lago, Florida, fühlt sie sich besonders wohl, aber auch in Österreich, in Ungarn, ja, eigentlich überall. Selbst Grönland ist nicht mehr sicher. Offenbar liegt noch immer genug Blei in der Luft, um den allgemeinen IQ zu senken – und was das Blei nicht schafft, schaffen die sozialen Medien. An jeder Ecke sieht man Dummköpfe. Oftmals genügt ein Blick in den Spiegel.

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