Glosse:Das Streiflicht

Glosse: Das Streiflicht

Das Streiflicht

(Foto: SZ)

Christine Lambrecht hat dank Olaf dem Zögerer ihren eigenen Wunsch nach Rückzug entdeckt. Man erinnert sich an Noske, Scharping und Guttenberg.

(SZ) Das Institut für Staatsverdrossenheit an der Universität Berg am Laim hat eine Methode entwickelt, Leistung und Kompetenz von Bundesministern zu messen. Die Messeinheit heißt aus komplexen Gründen "Scheuer"; die Skala geht von 1 Scheuer bis 10 Scheuer, wobei 10 Scheuer das schlechtestmögliche Ergebnis widerspiegeln. Beispiele: Der SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil liegt bei etwa 1,5 Scheuer, die grüne Außenministerin Annalena Baerbock bei 4,1 Scheuer, der ehemalige CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer bei 10 Scheuer. Es fällt auf, dass Verkehrsminister, zumal solche von der CSU (Dobrindt, Scheuer, Ramsauer), signifikant häufig im hinteren Drittel der Scheuer-Skala rangieren. Dies liegt einerseits daran, dass Verkehr und Digitales (seit 2013 gehört das zusammen) schwierig sind. Andererseits sollte man manche CSU-Minister grundsätzlich nicht mit schwierigen Dingen beauftragen. Letzteres trifft auch für etliche SPD-Minister und Ministerinnen zu. Im aktuellen Kabinett zum Beispiel erreicht die SPD-Innenministerin Faeser 6,9 Scheuer; die Verteidigungsministerin Lambrecht, auch Böller-Christl genannt, hängt bei einer glatten 10.

Zugegeben, die Leitung des Verteidigungsministeriums ist, wie das im Geschäftsführerdeutsch heißt, eine "herausfordernde Aufgabe". Allerdings ist auch festzustellen, dass Union wie SPD das Verteidigungsministerium in jüngerer Zeit so behandeln, als sei es das Verkehrsministerium: Man schickt Leute dahin, von denen man entweder nicht so genau weiß, was man mit ihnen sonst machen soll (Franz-Josef Jung, Rudolf Scharping), oder solche, die vor lauter Selbstbegeisterung nicht merken, was sie nicht können (Annegret Kramp-Karrenbauer, Christine Lambrecht). Allerdings muss man die Böller-Christl auch etwas in Schutz nehmen: So schlimm war ihre Amtsführung auch wieder nicht, zumal wenn man auf andere Wehr-Sozialdemokraten blickt. Der erste SPD-Verteidigungsminister in der deutschen Geschichte, Gustav Noske, ließ auf linke Arbeiter schießen; der vorletzte SPD-Wehrminister vor Lambrecht hat mit seiner Poolstory auf Mallorca nahezu Guttenbergsche Peinlichkeitswerte erzielt (Guttenberg ist nicht einmal auf der Scheuer-Skala darstellbar).

Olaf der Zögerliche hat sich nun offenbar dazu durchgerungen, in Lambrecht den von ihr bis vor Kurzem noch nicht gefühlten Wunsch zu wecken, das Wehrministerium aus eigenem Entschluss zu verlassen. Übrigens ist das in diesem Zusammenhang gerne benutzte Bild des Ministerstuhls als "Schleudersitz" falsch. Ein Schleudersitz dient in beschädigten Kampfflugzeugen zur Rettung des Piloten. Mit der Entfernung einer Ministerin dagegen wird das beschädigte Kabinett gerettet. So gesehen ist das Kabinett der Schleudersitz, die Ministerin aber das beschädigte Kampfflugzeug.

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