Glosse:Das Streiflicht

(SZ) Irgendwie erreicht der Krieg am Ende alle, selbst die Mitglieder der Glaser-Innung Niedersachsen. Dort ist die Welt zwar noch nicht aus Kitt und Fugen, verloren gegangen aber ist den Handwerkern jetzt ein interessanter Auftrag. In die Marktkirche Hannover wird vorerst nun doch kein neues Fenster eingebaut, obwohl der Künstler Markus Lüpertz dieses bereits gestaltet hat. Grund dafür ist der Stifter des Objekts, Altkanzler Gerhard Schröder, den viele nur noch "Gas-Gerd" rufen, weil das Distanz schafft (wichtig) und weil es, sozusagen on top, auch noch lustig klingt, besonders dann, wenn man es rückwärts liest. Die guten Christen von der Marktkirche jedenfalls haben beschlossen, dass sie Schröders Geld und damit Lüpertz' Fenster erst mal nicht haben wollen. Das hat nicht nur mit Pazifismus zu tun, sondern auch damit, dass in Deutschland alle gerne vorne mit dabei sein wollen, wenn es endlich mal um etwas Gutes geht. Und gibt es etwas Besseres als Frieden auf Erden, Frieden damit auch: in Hannover?

Je finsterer der Krieg, desto energischer reagieren die Menschen. Manchen reicht es einfach nicht, daheim Kerzen anzuzünden und im Stillen zu beten. Zwar rührt solche Andacht, gerade weil sie ohne Öffentlichkeit auskommt. Verständlich und schön ist es dennoch, wenn Menschen sich zu Tausenden öffentlich versammeln, um Halt in Gemeinschaft zu finden. In Hamburg wurde es dabei vor ein paar Tagen nicht nur laut, sondern sogar melodisch, beim "Singen für den Frieden". Und wer erst bei diesem Slogan mal wieder an einen berühmten deutschen Komponisten dachte, der hatte seinen Wettlauf gegen den Siegel schon verloren. Für "Ein bisschen Frieden" trat Siegel 1982 ein über sein Medium Nicole. "Nie wieder Krieg", so lautet jetzt seine Forderung, der Titel ist längst produziert. Er wird Putins Panzer womöglich nicht direkt stoppen. Aber er scheppert garantiert weniger als ein von Markus Lüpertz gestaltetes Kirchenfenster, wenn man es - blödes Missgeschick - einfach fallen lässt.

Man denkt das nicht oft, gerade aber schon: Hoffentlich hört jemand Ralph Siegel. Hoffentlich hört jemand all die, die sich wie Franz von Assisi als Werkzeuge des Friedens verstehen. Auch weil es nun wirklich kein Widerspruch ist, einfache Parolen zu rufen und dennoch zu wissen, dass alles in Wahrheit viel komplizierter ist. Kompliziert sind Menschen ja eh immer. Eine schöne bildliche Entsprechung dafür findet sich in der gerade wieder rasant wachsenden Population der Friedenstauben. Blütenweiß und stolz stehen sie auf blauem Grund und geben selbst jenen Menschen Hoffnung, die gestern noch mit zügellosem Hass auf Straßentauben zustapften. Beides ist wahr: Während die Friedenstaube stoisch das Schweigen aller Waffen anzeigt, trägt eine Stadttaube 2000 Kämpfe im Jahr aus. Nicht nur Irren ist menschlich, Tauben sind es noch viel mehr.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: