Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) An der Nordfassade des Doms zu Köln ist zur Zeit ein vierzig Meter hohes Gerüst angebracht, weil der Sturm Eberhard im März auch am Mauerwerk der legendären Premiumkirche herumgefrevelt hat. Es ist nichts Schlimmes passiert, ein bisschen etwas ist abgebröckelt, ein wenig Glas zersprungen und bei einer Fiale, also einem der kleinen Türmchen, hat sich die Querverankerung gelöst. Kölner und ihre Sympathisanten können sich also wieder entspannt an die Rheinpromenade legen - der Dom wird wie gewohnt weiterbehandelt und -entwickelt. Denn so lautet ja auch die Legende: Der Kölner Dom entsteht immer wieder neu und anders. Er ist das Berlin unter den europäischen Sakralbauten. So sehen wir Hipster-Propheten das heute. Heinrich Heine hat das seinerzeit ganz anders gesehen, eher als Bannfluch des Protestantismus, von dem er sich - mag sein, ins Fäustchen lachend - eine hohe Halbwertszeit versprach: "Er wird nicht vollendet, trotz allem Geschrei/ Der Raben und der Eulen,/ Die, altertümlich gesinnt, so gern/ In hohen Kirchtürmen weilen." So steht es in "Deutschland. Ein Wintermärchen", aber es gibt noch knallendere Peitschenhiebe in diesem schönen Gedicht, es lohnt sich, das mal nachzulesen.

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