Glosse:Das Streiflicht

(SZ) "Und dann und wann ein weißer Elefant", lautet eine viel zitierte Verszeile von Rainer Maria Rilke. In seinem Gedicht "Das Karussell" beschreibt Rilke die Magie der bunten Tierfiguren, auf denen die Kinder im Pariser Jardin du Luxembourg reiten - Pferd, Hirsch, Löwe "und dann und wann ein weißer Elefant". In der angelsächsischen Welt dagegen bezeichnet der "weiße Elefant" eine Sache, die mehr Ärger macht als Nutzen bringt. Die Redensart geht vermutlich auf Mark Twain zurück, der einmal eine Erzählung über einen Mann geschrieben hat, dem der König von Siam die Obhut für einen weißen Elefanten übertrug, was den Mann bald gründlich ruinierte. Als Besucher des Oktoberfests dürfte Mark Twain in seiner Münchner Zeit allerdings eher weiße Mäuse gesehen haben als weiße Elefanten, aufgrund der ungewohnten Biermengen. Und auch in diesem Jahr kurbelte das schlechte Wetter am ersten Wiesn-Wochenende den Betrieb in den Festzelten kräftig an. Darunter hatten vor allem die Schausteller zu leiden, und kaum ein Anblick ist trauriger als der eines leer laufenden Karussells, das sich so ziellos im Kreis dreht wie Rilke zufolge das ganze Leben, dieses "atemlose, blinde Spiel". Während die einen wie gesagt schön im Trockenen saßen, von innen jedoch gut befeuchtet, ging es den anderen buchstäblich nass rein. Der Regen stahl den Schaustellern die Schau.

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