(SZ) Wenn es heute noch etwas gibt, das den Menschen lebenslang begleiten wird, dann ist es die Arbeit am eigenen Bild. Schon im Mutterleib lernt man, den Kopf für die 3-D-Kamera in den richtigen Neigungswinkel zu drehen. Ist man dann auf der Welt, brechen die Belichtungs-Lehrjahre an. Am Anfang stand das Foto mit der witzigen Bierkrug-Nuckelflasche, kurze Zeit später legt man das Selfie-Examen in der Krabbelgruppe ab, nach wenigen Social-Media-Séancen folgt die Meisterprüfung: die Reproduktion des Selbst mithilfe eines verlängerten Arms, der Selfie-Stange. Den überraschten Gesichtsausdruck kennt man bereits aus dem Familienalbum, erweiterte Kunstfertigkeit erwirbt man beim Beobachten chinesischer Reisegruppen. Es gilt, dem Schönen den Rücken zuzudrehen, seine Smartphone-Stange auszustrecken und auf den Auslöser zu drücken: ich vor den Tempeln von Angkor Wat, ich und hundert andere Metallstangen vor der Mona Lisa, ich und die Raststätten-Toilette. Was nicht festgehalten wird, ist nicht passiert. Eigentlich sehr einfach.