Glosse:Das Streiflicht

(SZ) Wie fast jede Art von Gewöhnung ist auch die Gewöhnung an sich selbst gewöhnungsbedürftig. Ein Leben lang muss man sich daran gewöhnen, immer dieselben Eigenschaften zu ertragen, die mit zunehmendem Alter nicht erfreulicher werden; außerdem muss man sich an die Abwesenheit verschiedener Talente gewöhnen, die man sehr gerne hätte, die einem ein finsterer Gott aber verwehrte. An was noch? An die Rolle, die einem die Gesellschaft aufgrund seiner Eigenschaften und Talentlosigkeiten zugewiesen hat; an den Lebenspartner, der bei einer anderen Charakter-und Eigenschaftslage vielleicht auch ein anderer, möglicherweise ungleich aufregenderer Partner wäre, und natürlich, das ist für manche Leute das Tristeste überhaupt: Man muss sich daran gewöhnen, dass man so aussieht, wie man aussieht. Die Verwerfungen, die das eigene Aussehen in bestimmten Menschen anrichtet, haben eine einzige Ursache: den Vergleich. Wir wissen, dass es Leute gibt, die einfach besser oder zumindest eindrucksvoller aussehen als man selbst. Dadurch entsteht viel Unzufriedenheit in der Welt.

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