Glosse:Das Streiflicht

(SZ) Wann hat es eigentlich angefangen, dass Menschen ihre Lebenserinnerungen schreiben? Mit Goethe? Mit Richard Wagner? Oder mit Walter Freiwald? Nur für den Hinterkopf: Goethe verfasste seine Erinnerungen unter dem doppelbödigen Titel "Dichtung und Wahrheit"; Wagner wählte das wuchtige Rubrum "Mein Leben" und Freiwald spiegelte seine Welterfahrung in dem Memoirenband "Frei Schnauze und mit einem Augenzwinkern". Die Aufzeichnungen Goethes addierten sich Seite um Seite zu dem Gesamteindruck, dass sich hier ein der Anschauung und Nachahmung verpflichteter Geist um seinen angemessenen Platz im Olymp bewirbt. Wagners Überlegungen zielten darauf ab, das Selbstporträt eines Mannes zu zeichnen, der im Grunde schon vor seiner Geburt als größte Nummer in der Weltgeschichte eingetragen ist. Und bei Walter Freiwald sieht es so aus, als stammten seine Reflexionen aus der Ecke, die Adorno gerne das beschädigte Leben genannt hat.

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