Glosse:Das Streiflicht

(SZ) In den vergangenen Wochen herrschte einige Aufregung, weil der Moderne Mensch und der Neandertaler Sex miteinander gehabt haben. Die Forscher hatten das bis dahin für unmöglich gehalten. Der Homo sapiens sieht viel besser aus als der stiernackige Neandertaler und er war beruflich erfolgreicher. Er lebte auch nicht zwischen Mettmann und Erkrath, sondern in den Zentren der damaligen Welt, wo immer die auch gewesen sein mögen. Eine so unschickliche Affäre können Forscher neuerdings entdecken, indem sie Knochen untersuchen, bis vor Kurzem brauchte man dafür Privatdetektive. Der Neandertaler war unser letzter Verwandter der Gattung Homo, nach seinem Dahinscheiden ging auf dem Gebiet der unmöglichen Liebe Zigtausende Jahre nichts mehr. Bis zu dem Film "King Kong und die weiße Frau".

Aber auch da passte wieder nichts zusammen. Der Affe war viel zu groß. Die Dame seiner Wahl war belesener, und sie sprachen keine gemeinsame Sprache. Das ist nicht nur in der Euro-Zone ein Problem, das macht es immer für Liebende schwierig, auch wenn King Kong seine Angebetete aufs Empire State Building trug und ihr so die bis dahin höchste öffentliche Liebeserklärung machte. Aber hat das die Menschen jemals davon abgehalten, das Animalische der Standesbeamtenvernunft vorzuziehen? Der visionäre dänische Schriftsteller Peter Høeg hat es in dem Roman "Die Frau und der Affe" beschrieben: Eine Frau verliebt sich in den 150 Kilo schweren Berggorilla Erasmus, als er ihr einen Pfirsich schenkt. Schwupp, sind die beiden Liebestollen auf der Flucht, die sie in einen Park führt, der, man erahnt die leise Ironie, dem Garten Eden nachempfunden ist. Dort lernt Erasmus sprechen und erweist sich als grandioser Liebhaber, er ist stark, er ist sanft, und er hat, wie Høeg notiert, den "leichten Sadismus des Straßenjungen".

Was will der Moderne Mensch? Was will die Moderne Frau? Wer soll das bitte schön alles wissen? Am ehesten Peter Høeg. Denn der Affe sagt, worauf es ankommt bei der Amour fou: "Nie genug." Wenn dem so ist, dann muss man sich jetzt ernsthafte Sorgen um Japan machen. Ein Berggorilla namens Shabbani im Tokioer Zoo ist zum Frauenschwarm geworden, nachdem sein Konterfei ein Werbeplakat des Zoos geziert hat. In Netzwerken steht sein Bild in einer Reihe mit männlichen Modells. Immer mehr Besucherinnen beäugen den Prachtkerl. Warum? Der Sprecher des Zoos wird mit den Worten zitiert: "Die Frauen sagen, er sieht sehr gut aus." Muss der ohnehin ständig verunsicherte Moderne Mann jetzt in die Muckibude rennen? Muss er den Sadismus des Straßenjungen entwickeln? Nun, der Sprecher weiß, dass weniger der Sexprotz als das Geschick des Clanchefs Shabbani, seine riesige Familie zu lenken, die japanische Frau begeistert. Das ist beruhigend. Auf diesem Gebiet haben sich Männer immer schon gern zum Affen gemacht.

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