Gleichstellungsdebatte in der Union:"Für uns gibt es keine Homo-Ehe"

Sondersitzung der Unionsfraktion zur Homo-Ehe

Parteichefin Merkel, Fraktionsvorsitzender Kauder vor der Sondersitzung der Union zur Homo-Ehe.

(Foto: dpa)

Schwerer Tag für Erzkonservative: Die Union beschließt, ein Gesetz zur steuerlichen Gleichstellung der Homo-Ehe auf den Weg zu bringen. Das geht nicht ohne Gegenstimmen. Um die Kritiker zu besänftigen, deuten führende CDU-Politiker das Karlsruher Urteil zu einem Sieg um. Und verkünden, beim Adoptionsrecht standhaft zu bleiben.

Von Michael König, Berlin

Erika Steinbach hat es eilig. Die Vertriebenenpräsidentin und CDU-Abgeordnete ist eine der Ersten, die aus dem Fraktionssaal kommt. Sie läuft weiter, als sie von Reportern angesprochen wird: Ob die Union jetzt eine vollständige Gleichstellung homosexueller Paare anstrebe, auch bei der Adoption? "Auf keinen Fall", sagt Steinbach durch ein gepresstes Lächeln hindurch. "Auf keinen Fall."

Es ist ein schwerer Tag für erzkonservative Politiker. Die Unionsfraktion beschließt in einer Sondersitzung, sich dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Vortag zu beugen. Noch im Juni soll ein Gesetz auf den Weg gebracht werden, das homosexuellen Paaren die gleichen Steuerrechte einräumt wie heterosexuellen. Zwischen Homo- und Hetero-Ehe besteht dann nur noch ein wesentlicher Unterschied, nämlich im Adoptionsrecht.

Für viele in der Union geht damit ein langer Kampf zu Ende. "Ich muss nicht zustimmen!", hatte Erika Steinbach nach der Nachricht aus Karlsruhe getwittert. Tut sie am Freitagmorgen auch nicht. Sie stimmt aber auch nicht mit Nein, sie nimmt an der Abstimmung gar nicht teil. Der CSU-Mann Norbert Geis, der die Homo-Ehe "nicht naturgemäß" findet, beugt sich der Mehrheit und wirbt für ein Ja.

"Mir ist das zu freudestrahlend"

Es gibt eine Enthaltung, drei Abgeordnete stimmen mit "Nein". Darunter ist der baden-württembergische CDU-Mann Thomas Bareiß: "Ich sehe das nun mal fundamental anders, mir ist das zu freudestrahlend." Er sagt auch: "Ich mache mir große Sorgen, dass wir unsere Basis verlieren."

Fraktionschef Volker Kauder gibt sich zufrieden, einerseits. Er spricht von einer "überwältigenden Mehrheit" für den Antrag, als er anschließend vor die Presse tritt. In der Sitzung soll er sich nach Angaben von Teilnehmern bei den "Wilden 13" bedankt haben. Also bei jenen 13 Abgeordneten, die bereits im vergangenen Sommer die Gleichstellung gefordert haben. Die seien trotz ihrer gegenteiligen Meinung immer fair mit der Fraktion umgegangen und hätten nicht mit der Opposition gestimmt.

Andererseits lässt Kauders Statement auch erkennen, wie schwer sich die Union tut. Sie werde weiterhin betonen, "dass wir den besonderen Schutz von Ehe und Familie, wie er im Grundgesetz steht, auch in Zukunft bewahren wollen", sagt er. "Für uns gibt es die Homo-Ehe nicht. Es gibt die Ehe und die gleichgeschlechtliche Partnerschaft." Für diese Aussage habe er in der Fraktion "großen Beifall" bekommen, sagt Kauder. Solche Details sind wichtig, um nicht als Umfaller dazustehen, um konservative Werte zu betonen.

Schröder deutet Niederlage in Sieg um

Familienministerin Kristina Schröder, so berichten Teilnehmer der Sitzung, habe das Karlsruher Urteil gar zu einem Sieg für die Union umgedeutet. Schließlich hätten die Richter das Ehegattensplitting für wertvoll erklärt, das manch ein Oppositioneller abschaffen will, weil es zum Beispiel die Alleinverdienerehe fördert. "Das System Ehegattensplitting" nehme durch das Urteil keinen Schaden, sagte auch der NRW-Fraktionschef Karl-Josef Laumann der Neuen Westfälischen. Also alles halb so wild.

Wichtig ist der Union auch, dass sie die Angelegenheit selbst in die Hand nimmt. Aus eigener Kraft handelt, wenn auch spät. Und nicht einen rot-grünen Gesetzesentwurf unterstützt, wie es etwa Volker Beck, der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, am Donnerstag gefordert hat.

FDP drängt auf Tempo

Eine Behandlung dieses Antrags sei "gesetzestechnischer Unsinn", soll Finanzminister Wolfgang Schäuble in der Sitzung gesagt haben, da er noch nicht das Urteil aus Karlsruhe berücksichtige. Demnach müssen Zahlungen an eingetragene Lebenspartnerschaften rückwirkend bis 2001 erwähnt werden. Das sei in dem Antrag nicht enthalten.

Auch der Koalitionspartner bekommt eine Absage. FDP-Vizechefin und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte vorgeschlagen, gleich die volle Gleichstellung umzusetzen, inklusive Adoptionsrecht. "Überall, wo in Gesetzen von der Ehe die Rede ist, nehmen wir einfach die Lebenspartnerschaft dazu", sagte sie der Passauer Neuen Presse. Die Zeit sei reif.

Das sehen viele in der Union anders. Nicht nur Erika Steinbach. Selbst ein progressiver Unionspolitiker wie Jens Spahn, Mitglied der "Wilden 13", sagt im SZ.de-Interview: "Das Adoptionsrecht wird noch einige Zeit brauchen. Ich halte das nicht für schlecht."

Verzögerung aus Prinzip

Das Adoptionsrecht ist die letzte Bastion, auch wenn Karlsruhe auch hier schon Druck gemacht und die sukzessive Adoption für homosexuelle Partner eingefordert hat. Das bedeutet, dass einer der Partner die Kinder des anderen Partners adoptieren darf.

Die Richter haben dem Gesetzgeber - anders als beim Ehegattensplitting, das "unverzüglich" kommen soll - jedoch in dieser Frage bis Mitte 2014 Zeit gegeben, das Urteil umzusetzen. Das will die Union ausreizen, wegen erheblicher rechtlicher Probleme, wie Fraktionschef Kauder sagt. Aber wohl auch aus Prinzip, und um den Fraktionsfrieden zu wahren.

Die CSU hat bereits angekündigt, sich nur so weit zu bewegen, wie unbedingt nötig. "Es gibt überhaupt keinen Grund, über das Karlsruher Urteil noch hinauszugehen und etwa auch Adoptionen für Lebenspartnerschaften freizugeben", sagte Generalsekretär Alexander Dobrindt der Augsburger Allgemeinen. "Es steht jetzt nur an, was das Bundesverfassungsgericht entschieden hat - aber keine weiteren Schritte."

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