Gleichgeschlechtliche Partnerschaften:Was Konservative vom Schwulsein halten

Zwei Männer küssen sich auf einer Schwulen-Demo in Rio de Janeiro

Zwei Schwule hinter einer Regenbogenfahne - beißen nicht und fressen auch keine kleinen Kinder

(Foto: REUTERS)

Die CDU gibt ihre Widerstände gegen die Homo-Ehe auf. Man kann zu dieser Selbstüberwindung nur gratulieren. Willkommen im echten Leben. Doch in vielen Köpfen sind klischeebeladene Zerrbilder von Homosexuellen noch fest verankert. Was für ein Unfug.

Ein Kommentar von Constanze von Bullion, Berlin

Und es gibt sie doch, die wundersame Wandlung, oder auch: die Ankunft in der Wirklichkeit. Nach Jahrzehnten verbiesterter Kämpfe gegen die Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen lässt die CDU alle Hoffnung fahren, dass in Sachen Homo-Ehe noch irgendetwas zu verhindern ist. Nach Verpartnerung und Stiefkindadoption kommt jetzt die Steuergerechtigkeit und - bislang für viele das größte Tabu - die gemeinsame Adoption von Kindern durch Homosexuelle.

Die CDU gibt ihre Widerstände auf, die CSU wird wohl notgedrungen bald folgen müssen, und man kann den Konservativen zu dieser Selbstüberwindung nur gratulieren. Willkommen im echten Leben. Es beißt nicht und frisst auch keine kleinen Kinder.

Nun irrt aber, wer glaubt, dass es im Land nur ein paar verirrte Hinterbänkler gibt, die etwas gegen gleichgeschlechtliche Elternschaft haben. Der politische Konsens mag breit sein in diesen Tagen, Gesetze mögen geändert werden, keine Partei will sich ewig von Gerichten rügen lassen, dass sie eine Bevölkerungsgruppe systematisch um ihre Rechte bringt.

Selbstverständlich aber ist die Homo-Adoption noch lange nicht in Deutschland. Vor die Wahl gestellt, ein Kind eher heterosexuellen oder homosexuellen Adoptiveltern zu überantworten, dürften sich etliche Staatsdiener mit diffusem Unbehagen plagen. Und geneigt sein, sich - in aller Stille - für Mama und Papa zu entscheiden statt für Papa und Papa. Weil es da ein paar fiese Ängste gibt, die sorgsam beschwiegen werden - und ausgeräumt gehören. Denn sie spuken nicht nur in stockkonservativen Köpfen herum.

Klischeebeladene Bedenkenlisten

Vorbehalt Nummer eins trifft schwule Männer. Sie gelten, stark vereinfacht ausgedrückt, als hoffnungslos hedonistisch und über die Maßen mit Sex beschäftigt. Das verdanken sie auch ihrer Selbstdarstellung. Nach Verfolgung im Dritten Reich und Jahrzehnten, in denen Männer mit hochgeschlagenem Kragen in Schwulenbars schlichen, weil Haft drohte, sind sie ausgebrochen. Out and proud zu sein, offen und stolz auf die eigene Sexualität, beim Christopher Street Day Gesicht und, ja, blanken Hintern zu zeigen, wurde ein politisches Statement, ein notwendiges, um herauszukommen aus den Scham- und Schmuddelecken der Gesellschaft.

Patchwork ist Alltag

Die Bilder haben sich festgesetzt und sie sind in vielen Köpfen zum Klischee geronnen: Dass schwule Männer über ein sagenhaftes Liebesleben, aber kaum Verantwortungsgefühl oder Tauglichkeit zur Vaterschaft verfügen. Was, wenn diese ewig kopulierenden Kerle von Kindern gesehen werden, unter der heimischen Dusche? - Blödsinn? Abwegig? Keineswegs.

Mit dem sexuell aufgeladenen Bild vom Schwulsein geht ein zweites Zerrbild einher. Es ist die Unterstellung, schwule Männer seien pädophil, irgendwie pädophiler jedenfalls als heterosexuelle Männer. Womöglich wollten sie Kinder nur zur Befriedigung sexueller Wünsche. Laut gesagt wird das nicht, auf Nachfrage bestätigt aber erstaunlich oft.

Wer solche Ängste hat, muss sich fragen lassen, wieso in Deutschland seit Jahren Pflegekinder an Schwule und Lesben vergeben werden? Oft sind es Kinder, die besonders schwer beschädigt sind, stark vernachlässigt und behindert, derer sich also sonst keiner erbarmt. Die Erfahrungen der Behörden sind gut, Homo-Eltern haben sich als zugewandt und belastbar erwiesen, auch als überdurchschnittlich bildungsorientiert. Vermehrte sexuelle Übergriffe? Ein Hirngespinst.

Womit Punkt drei der Bedenkenliste erreicht wäre, die Frage nämlich, ob eine Familie mit Mutter und Vater nicht immer besser ist als etwa eine mit zwei Müttern. Lesbische Mütter stehen zwar anders als schwule Väter nicht unter Missbrauchsverdacht, weil ihnen eher gar keine Sexualität angedichtet wird. Dafür wirft man ihnen vor, Kindern den Vater vorzuenthalten, ein negatives Männerbild zu vermitteln. Der nächste Unfug.

Wer solche Familien von innen besichtigt, wird sich wundern über die Gleichgültigkeit, mit der Kinder Homosexueller und deren Schulfreunde auf Eltern gleichen Geschlechts reagieren oder auf überkommene Genderstereotype. Meistens interessiert das Thema so brennend wie der Nikkei-Index, in jeder Schulklasse sitzen Kinder aus Patchworkfamilien.

Welcher Elternteil strenger ist und welcher liebevoller, wer besser Fußball spielt und wer vorliest, wer das Geld heimbringt und wer sich als Hallodri erweist: All das hängt nicht vom natürlichen Geschlecht ab, sondern von Persönlichkeit, der Bereitschaft, sich für Kinder zu verschenken, auch von der Eignung zur Elternschaft. Die besitzt der Mensch oder er besitzt sie nicht, manchmal muss er sie auch unterwegs erwerben. Die "richtige Familie" gibt es nicht. Aber ziemlich viele gute Eltern.

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