Gleichberechtigung Schwarz und Weiß:Hat Obama einen Traum?

Martin Luther King träumte von einem Land, in dem die Hautfarbe keine Rolle spielt. Bislang hat Barack Obama nie darauf Bezug genommen. Ob sich das ändert, wenn er seine Parteitagsrede hält?

Verena Wolff

Barack Obama ist schwarz. Nicht extrem dunkel, aber schwarz. Eigentlich aber ist er ein Mischling: die Mutter weiß (wie Schnee, wie er sagt) und aus Kansas, der Vater schwarz (Obama: pechschwarz), ein Kenianer. Doch wer Eltern mit diesen unterschiedlichen Hautfarben hat, wird automatisch in die Schublade "schwarz" gesteckt.

Gleichberechtigung Schwarz und Weiß: Barack Obama hat einen Traum - den vom Einzug ins Weiße Haus.

Barack Obama hat einen Traum - den vom Einzug ins Weiße Haus.

(Foto: Foto: AP)

Der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten allerdings erzählt über sich selbst, er sei "weiß" aufgewachsen. Bei seiner Mutter und später bei den Großeltern. Auf Hawaii, Tausende Meilen weg vom amerikanischen Festland. Tausende Meilen weg auch von den konservativen Südstaaten, in denen der Rassenhass in den fünfziger und sechziger Jahren für chaotische Zustände sorgte. Dafür, dass Schwarze und Weiße in getrennte Schulen gingen, in getrennte Restaurants und getrennte Toiletten benutzten. Dafür, dass in Bussen Schwarze von Weißen getrennt saßen.

Gleichberechtigung brauchte Gerichtsurteile

Die Schwarzen waren noch lange nicht gleichberechtigt. Offiziell war nur die Sklaverei abgeschafft - das allerdings war schon mit dem Ende des Bürgerkriegs erledigt. Mehr als 100 Jahre zuvor. Gerichtsurteile sorgten nach und nach dafür, dass Schwarze mehr Rechte bekamen.

Obama ist noch sehr jung, ein kleines Kind, als 1963 ein Baptistenprediger aus Alabama im fernen Washington eine Rede hält, die die Welt bis heute nicht vergessen hat. Und die sicher auch ihn, den Kämpfer für Benachteiligte, den Anwalt für Bürgerrechte in Chicago, später beeindruckt hat.

Martin Luther King überzeugte die Welt von seinem Traum. Vom Traum, "dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt". Vom Traum, "dass sich eines Tages diese Nation erheben wird und die wahre Bedeutung ihres Glaubens ausleben wird. Für uns sollte es selbstverständlich sein: Alle Menschen sind gleich geschaffen."

Charisma und klare Worte

Martin Luther King, der Prediger und Menschenrechtler aus dem tiefen Süden, steht vor den mächtigen Marmorsäulen des imposanten Lincoln-Memorials, als er von seinem Traum erzählt. Er redet in dem typischen Singsang, der schwarzen Predigern zueigen ist, und zieht mehr als eine Viertelmillion Amerikaner allein auf der Mall, dem Platz zwischen Lincoln Memorial und Kongress, in seinen Bann. Schwarze wie weiße.

Das kann auch Barack Obama: Menschen in seinen Bann ziehen. Nicht bei jeder Rede - aber immer dann, wenn es darauf ankommt. Etwa im Jahr 2004, als der junge Senator aus Illinois bei der Democratic Convention in Boston sprach. Von einer Politik der Hoffnung sprach er damals, vom Wandel - dem "Change".

Viele Zuhörer erinnern sich, dass sie vor vier Jahren einen "diamond in the rough", einen ungeschliffenen Diamanten, gesehen haben: Barack Obama. Der Diamant glitzert inzwischen heller, das Charisma dieses intelligenten Mannes beeindruckt. Wie einst bei Martin Luther King.

Immer geschliffener

Heute zieht der Senator aus Illinois die Menschen in seinen Bann - alte wie junge, schwarze wie weiße. Damals, vor 45 Jahren, war es alles andere als selbstverständlich, dass sie dem - noch wesentlich jüngeren - Baptistenprediger zuhörten.

Zwar lag der Boykott der Busse in Montgomery schon ein paar Jahre zurück - jener Akt zivilen Ungehorsams, bei dem sich 1955 eine schwarze Näherin namens Rosa Parks weigerte, einem weißen Fahrgast Platz zu machen. Die Frau wurde verhaftet - und der erst 26 Jahre alte Prediger King übernahm die Koordination eines Busboykotts in Montgomery. 381 Tage, mehr als ein Jahr lang, gingen die Schwarzen in dem Ort in Alabama lieber zu Fuß oder fuhren mit dem Taxi, als sich in einen Linienbus zu setzen. Es bedurfte eines Spruchs des Obersten Gerichtshofs der USA, um diesen Boykott zu beenden. Die Richter hoben nach der Rassentrennung in Schulen schließlich auch die Diskriminierung in Bussen auf.

Hat Obama einen Traum?

Diese Probleme sind heute in den USA Vergangenheit - de jure zumindest. Dennoch gibt es genügend Beispiele, dass der Rassenhass noch lange nicht vollständig überwunden ist. Schwarze Opfer, weiße Täter - diese Konstellation ist auch heute noch oft an der Tagesordnung. Die Medien verkaufen sie so.

Gleichberechtigung Schwarz und Weiß: Martin Luther King auf den Stufen des Lincoln Memorial in Washington bei seiner wohl bekanntesten Rede.

Martin Luther King auf den Stufen des Lincoln Memorial in Washington bei seiner wohl bekanntesten Rede.

(Foto: Foto: dpa)

Die amerikanische Welt ist manchmal noch schwarz-weiß

Dennoch: Viele Schwarze haben ihre Chancen genutzt. Genauso wie viele Weiße. 71 Prozent der Schwarzen geben in aktuellen Umfragen an, ihre Lage habe sich in den vergangenen 40 Jahren verbessert. Mischehen - zu Zeiten Martin Luther Kings in vielen Staaten noch verboten - sind keine Ausnahme mehr. Und rassistische Witze - zumal in der Öffentlichkeit vorgetragen - sind ein Garant dafür, dass Amt oder Job ganz schnell verloren sind.

Barack Obama ist schwarz. Aber er thematisiert seine Hautfarbe im Wahlkampf so gut wie nie. Auch nimmt er keine Anleihen bei Martin Luther King. Und dennoch ist das Thema allgegenwärtig.

Noch nie hat ein Schwarzer die Kandidatur zum Präsidentenamt geschafft - in der Quasi-Wahlmonarchie zwischen New York und Los Angeles herrschen dafür schließlich ganz eigene Gesetze. Ein weißer, solider Bürger ist das nämlich in der Regel, meistens einer, der protestantisch ist und bekannt, Gouverneur oder Senator eines dicht besiedelten Staates nördlich der Mason-Dixon-Linie - der früheren Grenze zwischen Nord- und Südstaaten. So die Definition der Wissenschaft. Ein paar Ausbrüche aus dieser Definition hat es schon gegeben: John F. Kennedy war 1960 der erste Katholik, der als Kandidat aufgestellt und schließlich auch gewählt wurde. Jimmy Carter, Präsident Nummer 39 und Bill Clinton, Nummer 42, stammen aus einem Südstaat.

Die Präsidentschaft folgt Regeln

Keine Frau, kein Amerikaner jüdischen Glaubens und auch kein Nicht-Weißer wurden bisher auch nur zu Präsidentschaftskandidaten nominiert - bis jetzt. Auch schwarze Politiker in den wirklich hohen Ämter der USA sind dünn gesät: Jesse Jackson, Colin Powell, Condoleezza Rice - und dann geht die Suche auch schon los.

Dass die Hautfarbe keinesfalls ein Nicht-Thema ist, steht unterdessen für Martin Luther King III., den Sohn des ermordeten Friedensnobelpreisträgers, fest - auch bei der anstehenden Wahl. Jüngst sagte er dem Stern: "Gäbe es einen weißen Kandidaten mit ähnlichen Qualitäten wie Obama, hätte McCain keine Chance." Obama habe "unheimliches Charisma", sei "sehr eloquent" und "einer der intelligentesten Menschen in unserem Land". Dies seien Qualitäten, die auch sein Vater hatte. Allerdings: "Mein Vater war kein Politiker". Er konnte also sagen, was er dachte - ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten seiner Unterstützer zu nehmen.

Das muss Barack Obama - denn die Politik ist in Amerika eine komplizierte Sache, bei der man vielen Menschen auf die Füße treten kann. Von einem Traum hat er noch nicht gesprochen - aber immer wieder von "Change", von der Veränderung. Damals, in Boston vor Zehntausenden Demokraten. Und während des langen, zähen Vorwahlkampfes, der im Winter im weißen Iowa begann und erst im Juni endete.

Ein Zufall ist es nicht, dass Barack Obama seine mit Spannung erwartete Rede auf den Tag genau 45 Jahre nach Martin Luther Kings "I have a dream"-Ansprache hält. In Denver, vor 75.000 Zuhörern und vielen Millionen vor den Fernsehern und im Internet.

Ob er auch einen Traum hat? Vielleicht sagt er es dann.

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