Gleichberechtigung:Feierstunde zum Frauenwahlrecht

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In weißen Blusen erinnern die SPD-Frauen im Bundestag an die ersten gewählten Sozialdemokratinnen. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble fordert Männer auf, sich stärker an Hausarbeit und Kindererziehung zu beteiligen.

Von Jasmin Siebert, Berlin

Die SPD-Frauen sind am Donnerstagmorgen mit weißen Blusen im Bundestag erschienen. So hielten es auch die ersten gewählten Sozialdemokratinnen vor hundert Jahren in Anlehnung an die weißen Kleider der Suffragetten in den USA und England. Am 19. Februar 1919 trat die Genossin Marie Juchacz als erste weibliche Volksvertreterin ans Rednerpult im deutschen Reichstag. "Meine Herren und Damen", begrüßte sie die Anwesenden, es klingt so selbstverständlich und war doch revolutionär. Denn zuvor hatte es ja keine Frauen gegeben, die man ansprechen konnte. Im Januar 1919 durften sich Frauen zum ersten Mal an der Wahl zur Nationalversammlung beteiligen und selbst kandidieren.

Hundert Jahre später erinnert Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) in seiner Begrüßungsrede zur Feierstunde daran, dass es bei der Gleichberechtigung noch immer Nachholbedarf gebe. Schäuble ermahnt die Männer, sich stärker an Kindererziehung, Hausarbeit und Pflege zu beteiligen. Diese "für unsere Gesellschaft unverzichtbaren Tätigkeiten" würden heute noch "ganz überwiegend Frauen unbezahlt verrichten".

Rita Süssmuth, ehemalige Familienministerin (1985-1988) und Präsidentin des Deutschen Bundestages (198-1998), legt in ihrer Rede das Hauptaugenmerk auf den gegenwärtig gesunkenen Frauenanteil in der Politik auf allen Ebenen. Sie fordert mehr aktive Beteiligung von Frauen, "es ist ein verfassungsmäßiger Auftrag", erinnert sie. Frauen sollten nicht unterschätzt werden und hätten für ihre Leistungen den gleichen Lohn verdient. "Wer heute annimmt, er könne ohne Frauen in der Welt etwas bewirken, der irrt sich", sagt Süssmuth.

Die Sehnsucht nach den alten Rollenbildern lebe wieder auf, sagt SPD-Politikerin Bergmann

Christine Bergmann, frühere Berliner Bürgermeisterin (1991-1998) und Bundesfamilienministerin (1998-2002), spricht sich für Parität bei Listenaufstellungen und bei der Vergabe von Posten aus. Sie fordert eine verbindliche Frauenquote, verbunden mit Sanktionen. Nur das bringe den gewünschten Erfolg. Bergmann erwähnt namentlich einige der Vorkämpferinnen "mit den langen Röcken und den großen Hüten", die "es noch so viel schwerer hatten", als sie sich für die Verbesserung der Situation der Frauen einsetzten. Sie kritisiert, dass Aktivistinnen wie Louise Otto-Peters, Minna Cauer oder Hedwig Dohm "heute sehr spärlich in den Geschichtsbüchern und Ehrengalerien zu finden sind, wo sie eigentlich hingehören".

Bei ihrem Rückblick auf den Kampf der Frauen für ihre Rechte, bringt die in der DDR aufgewachsene Pharmazeutin auch die ostdeutsche Perspektive ein. Bergmann kritisiert, dass diese in der Debatte oft fehle, dabei sei die DDR weiter gewesen in Sachen Gleichberechtigung. Während 1990 in der BRD nur die Hälfte der Frauen arbeitete und das meist in Teilzeit, waren mehr als 90 Prozent der ostdeutschen Frauen in Vollzeit tätig. Fast alle hatten Kinder, doch niemand habe sie als Rabenmütter bezeichnet.

Auch Bergmann warnt vor einer Rolle rückwärts: "Die Sehnsucht nach den guten alten Rollenbildern lebt ja wieder auf - und leider nicht nur bei Männern." Frauen müssten aufpassen, dass nicht "mühsam Errungenes wieder heimlich verloren geht". Sie endet mit einem Appell der Frauenrechtlerin und Pazifistin Minna Cauer: Wir sollten "nicht ausruhen, denn es ist noch nicht vollendet, was wir begonnen haben".

© SZ vom 18.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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