Süddeutsche Zeitung

Gleichberechtigung:Auf eigenen Beinen

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Bundeskanzlerin Angela Merkel will, dass die Industrienationen Frauen durch Bildung und Kredite fördern. Bei der Frage nach konkreten Programmen blieb das Kanzleramt zuletzt eher wolkig.

Von Constanze von Bullion

Es gehört zu den Geheimnissen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, ob sie sich für eine Feministin hält. Im Konflikt um die Frauenquote in Deutschland zum Beispiel schwieg sie so lange, bis das Vorhaben kurz vor dem Scheitern stand. Dann verhalf sie der Quote kurzerhand zum Durchbruch - und freute sich sichtlich am eigenen Erfolg. Merkel wirbt nicht aktiv für die Sache der Frauen und zeigte bislang auch wenig Interesse an Familienpolitik. Aber sie agiert mit dem Selbstverständnis einer ostdeutschen Frau, die sich durchgesetzt hat. Aber als Vorbild allein will Merkel offenbar nicht wirken.

Beim G-7-Gipfel hat Merkel das Thema Frauenförderung aufs Programm gesetzt. Um berufliche Bildung, Selbständigkeit und wirtschaftliche Ermächtigung von Frauen soll es gehen, in der Fachsprache: gender economic empowerment. Deutschland will die führenden Industrienationen verpflichten, die Zahl der Frauen mit Berufsausbildung zu steigern, auch in den armen Ländern. Dort tragen viele Frauen zwar die Verantwortung für die Ernährung der Familie, sind aber häufiger als Männer Analphabetinnen und rechtlich oft stark benachteiligt. Sie zu mehr Gründergeist zu ermutigen, ist kein einfaches Unterfangen.

Bei der Frage nach konkreten Programmen bleibt das Kanzleramt wolkig

Wie viel Geld sollen die großen Sieben also bereitstellen für Frauenförderung? Gibt es Programme, Erfolg versprechende Modelle, Zielvorgaben? Wer zuletzt solche Fragen ans Kanzleramt richtete, bekam statt klarer Antworten Zitate der Bundeskanzlerin zugeschickt. "Überall auf der Welt müssen wir beobachten, dass Frauen weitaus seltener zu Gründern werden als Männer. Das wollen und - ich denke - das müssen wir ändern", sagte Merkel beispielsweise in ihrer Regierungserklärung im Mai. Der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten für eigene Unternehmen sei für Frauen "heute strukturell schlechter als für Männer". Leichterer Zugang zu Krediten für Frauen soll daher Gipfelthema werden.

In den Fokus will Merkel auch die Industrienationen selbst rücken. "Es ist ja nicht so, dass wir nun schon überall die Gleichberechtigung haben", sagte sie. Nach Erhebungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist in den meisten G-7-Staaten nur etwa jeder vierte Arbeitgeber weiblich, in Japan sogar nur jeder sechste. In Deutschland waren 2013 nur acht Prozent der berufstätigen Frauen Selbständige und 14 Prozent der Männer. In Italien dagegen lag die Selbständigenquote von Frauen höher, bei 18 Prozent. Allerdings belege mehr Selbständigkeit nicht unbedingt mehr Unternehmergeist, betonte die ILO. Nicht selten seien Existenzgründungen aus Not geboren: Es an fehle an Alternativen auf dem Arbeitsmarkt.

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Quelle:
SZ vom 06.06.2015
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