Infrastruktur:Pistorius geht bei defektem Ostsee-Kabel von Sabotage aus

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Das Installationsschiff „Ile de Brehat“ verlegt das Unterseekabel „C-Lion1“ vor Finnland. Die Verbindung ist nun plötzlich ausgefallen. (Archivbild) (Foto: Heikki Saukkomaa/dpa)

Ein Datenkabel in der Ostsee ist beschädigt worden. Deutschlands Verteidigungsminister hält das Ereignis nicht für einen Unfall. Die Außenministerien in Helsinki und Berlin sind „zutiefst besorgt“.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius geht davon aus, dass Kabel zur Datenübertragung in der Ostsee absichtlich beschädigt wurden. Man müsse davon ausgehen, dass es sich um Sabotage handle, sagte der SPD-Politiker am Rande eines Treffens mit seinen EU-Amtskolleginnen und -kollegen in Brüssel. Beweise dafür gebe es bislang nicht. Doch: „Niemand glaubt, dass diese Kabel aus Versehen durchtrennt worden sind.“ Er ergänzte: „Von daher müssen wir konstatieren – ohne konkret zu wissen, von wem es kommt –, dass es sich um eine hybride Aktion handelt.“

Auch Außenministerin Annalena Baerbock spricht bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihren Kollegen aus Polen, Frankreich und Italien in Warschau von Einschüchterungsversuchen Russlands.

Das staatliche finnische Unternehmen Cinia hatte zuvor mitgeteilt, dass ein Defekt an dem Untersee-Datenkabel „C-Lion1“ zwischen Finnland und Deutschland festgestellt worden sei und die Kommunikationsverbindungen über das Kabel dadurch unterbrochen seien.

Das finnische Außenministerium und das Auswärtige Amt in Berlin zeigten sich „zutiefst besorgt“. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, „die Tatsache, dass ein solcher Vorfall sofort den Verdacht einer vorsätzlichen Beschädigung aufkommen lässt, spricht Bände über die Unbeständigkeit unserer Zeit“. Eine gründliche Untersuchung sei im Gange. „Unsere europäische Sicherheit ist nicht nur durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine bedroht, sondern auch durch die hybride Kriegsführung böswilliger Akteure“, heißt es in der Erklärung beider Ministerien weiter. „Der Schutz unserer gemeinsamen kritischen Infrastrukturen ist entscheidend für unsere Sicherheit und die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte in Berlin: „Wir nehmen diese hohe Bedrohungslage sehr, sehr ernst.“ Zu der Beschädigung des Kabels sei es in schwedischen Gewässern gekommen. „Wir sind als Behörden noch nicht beteiligt, haben aber Hilfe angeboten zur Unterstützung.“

Kabel verläuft teils über gleiche Route wie Nord Stream

„C-Lion1“ verläuft auf einer Länge von 1173 Kilometern von der finnischen Hauptstadt Helsinki bis nach Rostock in Mecklenburg-Vorpommern, teils über dieselbe Route wie die vor zwei Jahren zerstörten Nord-Stream-Pipelines. Das Kabel ist im Frühjahr 2016 in Betrieb genommen worden und das einzige Untersee-Datenkabel, das direkt von Finnland nach Mitteleuropa führt.

Ein Sprecher des schwedischen Kommunikationsunternehmens Telia bestätigte zudem, dass ein Kommunikationskabel zwischen der schwedischen Insel Gotland und Litauen beschädigt worden sei. Auch dieser Vorfall werde von schwedischen Behörden untersucht.

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 und den durch Sabotage herbeigeführten Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee im darauffolgenden September ist die Lage von kritischer Infrastruktur gerade in der Ostsee in den Fokus der Öffentlichkeit und insbesondere der Nato gerückt.

© SZ/Reuters/dpa/jael/dta - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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