Süddeutsche Zeitung

Glaesekers Büro im Bundespräsidialamt durchsucht:"Affäre beschädigt Deutschlands Ansehen"

Einmaliger Vorgang im Bundespräsidialamt: Die Staatsanwaltschaft hat das ehemalige Büro des langjährigen Sprechers von Bundespräsident Wulff, Olaf Glaeseker, durchsucht. Die Opposition sorgt sich um das Ansehen Deutschlands. Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki ist der Auffassung, Wulff müsse zurücktreten.

Erstmals ermittelt die Justiz direkt im Amt von Bundespräsident Christian Wulff: Ein Staatsanwalt und Beamte des Landeskriminalamtes Niedersachsen haben das ehemalige Büro des langjährigen Wulff-Sprechers Olaf Glaeseker im Bundespräsidialamt durchsucht. Hintergrund sind die Ermittlungen gegen den Wulff-Vertrauten wegen Bestechlichkeit.

Die Reaktionen im politischen Berlin ließen nicht lange auf sich warten - die SPD verschärfte an diesem Sonntag den Ton in der Causa: "Die ganze Affäre beschädigt nicht nur Christian Wulff, sondern inzwischen auch das Amt des Bundespräsidenten und Deutschlands Ansehen in der ganzen Welt", sagte Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, der Zeitung Die Welt. Durchsuchungen wegen möglicher Korruption im unmittelbaren Umfeld des Bundespräsidenten seien ein schwerwiegender Vorgang. "Es wäre an der Zeit für einige klärende Worte von Angela Merkel. Es reicht."

Aus der FDP kommen Rufe nach einer öffentlichen Erklärung Wulffs zur jüngsten Durchsuchung. "Staatsanwaltschaft und Polizei haben Anlass, Deutschlands erste Adresse zu durchsuchen, der Hausherr aber bleibt wieder einmal sprachlos", so der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter. "Man fragt sich, ob der prominente Mieter in Bellevue noch irgendetwas vom realen Leben draußen mitbekommt oder sich schon im Panikraum des Schlosses verschanzt hat."

"Er muss unbedingt zurücktreten"

Auch Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki übte im Zusammenhang mit der Kredit- und Medienaffäre Kritik am Bundespräsidenten: "Er muss unbedingt zurücktreten", sagte der 91-Jährige dem Focus. "Wulff hat offenbar zu hohe finanzielle Ansprüche." Als Politiker könne er dadurch nicht unabhängig sein.

Die Kanzlerin hatte sich dagegen erneut hinter das Staatsoberhaupt gestellt. In einem Interview der Bild am Sonntag machte Merkel deutlich, dass sie nicht mit einem Rücktritt von Wulff rechnet: "Unser Bundespräsident wird viele weitere Akzente für unser Land und unser Zusammenleben setzen." Wulff selbst hat Fehler eingeräumt, einen Rücktritt aber wiederholt ausgeschlossen.

Nach der Durchsuchung bei Glaeseker sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Hans-Jürgen Lendeckel: "Wir haben Unterlagen und Computerdateien beschlagnahmt, die jetzt ausgewertet werden müssen." Es gebe einen "qualifizierten Tatverdacht" gegen Glaeseker.

Nach Angaben des Bundespräsidialamts wollte Wulffs Ex-Sprecher sein Dienstzimmer am vergangenen Wochenende ausräumen. Mit Hinweis auf ein "mögliches Ermittlungsinteresse der Staatsanwaltschaft Hannover" sei ihm der Zugang verweigert worden, sagte Wulffs Sprecherin Petra Diroll. Am Donnerstagvormittag erfolgte dann auf Beschluss des Amtsgerichts Hannover die Durchsuchung im Präsidialamt, das unweit vom Schloss Bellevue liegt.

Glaeseker soll dienstliche und private Belange miteinander vermischt haben und sich wirtschaftliche Vorteile verschafft haben. Wulff selbst steht seit Wochen wegen einer Kredit- und Medienaffäre in der Kritik.

Vor dem Hintergrund der Vorwürfe legte Glaeseker kurz vor Weihnachten sein Amt als Sprecher des Bundespräsidenten nieder. Mitte Januar geriet er dann ins Visier der Justiz: Bei einer Razzia durchsuchten Ermittler am 19. Januar die Privat- und Geschäftsräume von Glaeseker und des Eventmanagers Manfred Schmidt.

Glaeseker soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft zwischen 2007 und 2009 die Finanzierung der von Schmidt ausgerichteten Veranstaltungsreihe "Nord-Süd-Dialog" im Rahmen seiner damaligen Dienstgeschäfte "gefällig gefördert" haben. Als Gegenleistung soll Glaeseker mehrfach unentgeltlich Urlaube in Feriendomizilen Schmidts verbracht haben. Glaeseker war damals niedersächsischer Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs.

Die Zustimmungswerte für Wulff waren zuletzt weiter gesunken: Im ZDF-Politbarometer sprachen sich 50 Prozent für einen Rücktritt des Staatsoberhauptes aus. Wegen der Affäre sähen sich viele Bürger "in ihrem Vorurteil bestätigt, dass Politiker weniger auf die Zukunft dieses Landes als vielmehr auf den eigenen Vorteil ausgerichtet" seien, beklagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier. Ob Wulff zurücktrete oder nicht, liege aber "allein in seiner Entscheidung". Dabei müsse er sich im Klaren sein, dass die Kernaufgabe des Bundespräsidenten darin bestehe, moralische Orientierung zu geben, sagte Steinmeier der Welt am Sonntag.

Der Partymanager Schmidt räumte unterdessen ein, dass ihm die niedersächsische Staatskanzlei bei der Suche nach Geldgebern für den "Nord-Süd-Dialog" geholfen hatte. Ohne die Kontakte und Empfehlungen des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff und seines Sprechers Glaeseker wäre die Durchführung des Events kaum möglich gewesen. "Es müssen ja mal Kontakte hergestellt werden, wenn so etwas von der Wirtschaft finanziert werden soll", sagte Schmidt dem Spiegel.

Zugleich wies er den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, Glaeseker mit kostenlosen Urlaubsreisen bestochen zu haben. Er sei seit 30 Jahren mit dem Journalisten befreundet. In dieser Zeit habe er Glaeseker zu Urlauben eingeladen, umgekehrt habe aber auch er Glaeseker besucht. Zweimal sei er sogar mit dem Freund und dessen Frau im Liegeabteil eines Autoreisezugs in den Süden gefahren. "Das macht man nur, wenn man sich richtig kennt."

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