USA:Ein Mercedes, ein Penthouse und 26 Uhren als Schadenersatz

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Rudy Giuliani war einst der populäre Bürgermeister von New York, dann wurde er zum Prellbock von Trumps Lügenkampagne. (Foto: Adam Gray/AFP)

Trumps ehemaliger Anwalt Giuliani muss nach einem Gerichtsurteil Eigentum an zwei Wahlhelferinnen aus Georgia abgeben, weil er sie diffamiert hat. Die Entscheidung hat auch eine hochpolitische Dimension.

Von Boris Herrmann, New York

Rudy Giuliani hat jetzt sieben Tage Zeit, um sein Auto abzugeben. Es ist nicht irgendein Auto, sondern ein Mercedes SL 500, Baujahr 1980, der einmal der 2014 verstorbenen Schauspielerin Lauren Bacall gehörte. Und das ist längst nicht alles. Giuliani, der ehemalige Anwalt von Donald Trump, muss auf richterliche Anweisung außerdem sein Penthouse in Manhattan, Teile seines Mobiliars, seinen Fernseher, ein signierten Trikot der Baseball-Legende Joe DiMaggio und weitere wertvolle Sportandenken sowie einen Diamantring und 26 Uhren abgeben, davon eine, die angeblich seinem Großvater gehörte. Das alles bekommen Ruby Freeman und deren Tochter Shaye Moss überschrieben, zwei ehemalige Wahlhelferinnen aus Georgia – als Schadenersatz dafür, dass Giuliani sie öffentlich beschuldigt hatte, bei der Auszählung der Präsidentschaftswahl 2020 betrogen zu haben.

Diese durchaus bemerkenswerte Entscheidung eines New Yorker Gerichts vom Dienstag ist einerseits ein weiteres Kapitel in der Geschichte vom tiefen Fall des Rudy Giuliani, der nach den Anschlägen von 9/11 als Bürgermeister von New York auf dem Höhepunkt seiner Popularität war, vom Time-Magazin zur Person des Jahres 2001 gekürt und von der britischen Königin Elizabeth II. zum Ritter geschlagen wurde. Andererseits hat die Entscheidung auch eine hochpolitische Dimension. Denn der Mann, in dessen Diensten Rudy Giuliani damals stand, als er die Wahlhelferinnen aus Georgia diffamierte, der Mann, für den er praktisch alles tat, um eine Wahlniederlage in einen Wahlsieg zu verwandeln, dieser Mann, Donald Trump, will in knapp 14 Tagen wieder US-Präsident werden.

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Es gilt als sicher, dass Giuliani gegen die Entscheidung vorgehen wird

Rudy Giuliani war Ende vergangenen Jahres von einem Bundesrichter in Washington zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von 148 Millionen Dollar an Ruby Freeman und Shaye Moss verurteilt worden. Danach meldete er Konkurs an. Um trotzdem zu ihrem Geld zu kommen, dürfen die beiden Frauen nun etwa Giulianis Apartment an der Upper East Side und andere Vermögenswerte verkaufen. Es gilt aber als sicher, dass Giuliani gegen diese Entscheidung vorgehen wird. Falls er Erfolg hat, müssten Freeman und Moss wohl all die wertvollen Sachen zurückgeben. Vielleicht sollten sie den alten Mercedes also vorerst in der Garage stehen lassen.

Der Demokrat Joe Biden hatte die Präsidentschaftswahl von 2020 im Bundesstaat Georgia mit hauchdünnem Vorsprung gewonnen. Trump verbreitet bis heute die Lüge, er sei damals der eigentliche Sieger von Georgia gewesen. Sein damaliger Anwalt Giuliani war so etwas wie der Prellbock der Lügenkampagne. Er hatte unter anderem Freeman und Moss öffentlich beschuldigt, Wahlzettel für Trump weggeworfen und dafür kofferweise falsche Biden-Zettel gezählt zu haben. Sie hätten außerdem Wahlbeobachter aus dem Wahllokal gejagt. Nichts davon konnte Giuliani auch nur ansatzweise beweisen.

Die Afroamerikanerinnen Freeman und Moss sagten zwei Jahre später vor einem Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses aus und erzählten, sie seien nach Giulianis Verleumdungen massiv unter Druck gesetzt worden, sie hätten Morddrohungen erhalten und seien rassistisch beschimpft worden („Sei froh, dass 2020 ist und nicht 1920.“). Als radikale Trump-Anhänger vor dem Haus ihrer Familie auftauchten, sahen sie sich gezwungen, sich zu verstecken und ihre Jobs als Wahlhelferinnen aufzugeben. Ruby Freeman sagte damals unter Tränen: „Es gibt keinen Ort mehr, wo ich mich sicher fühle“ – weil sie geholfen habe, mitten in einer Pandemie eine Präsidentschaftswahl auszuzählen.

Seine Anwaltszulassung hat Giuliani bereits verloren

Der Richterspruch vom Dienstag dürfte das Leben dieser Frauen nicht unbedingt sicherer machen, aber verschafft ihnen zumindest finanzielle Entschädigung und wahrscheinlich auch etwas Genugtuung. Für Rudy Giuliani, 80, ist das dagegen der vorläufige Gipfel der Demütigung. Wegen seiner Rolle als Vorwärtsverteidiger von Trumps Lügenkampagne nach der Wahl von 2020 war ihm von einem New Yorker Gericht bereits die Anwaltszulassung entzogen worden. Außerdem laufen in Georgia und Arizona Verfahren gegen Giuliani wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an einer Verschwörung, in beiden Fällen beteuert er seine Unschuld.

Die diversen Verfahren gegen seinen früheren Boss, gegen den eigentlichen Verschwörer, liegen dagegen vorerst alle auf Eis. Und das ist inzwischen fast schon ein Leitmotiv in der Karriere von Donald Trump: Die Leute, die sich ihm unterwerfen, die ihm den Rücken freihalten, die seine Lügen decken, die müssen irgendwann büßen. Zu nennen wäre etwa der Anwalt Michael Cohen, der Trump so treu zu Diensten stand, bis er für ihn ins Gefängnis wanderte. Oder auch der Verschwörungsideologe und Kissenunternehmer Mike Lindell, besser bekannt aus der Fernsehwerbung als „My Pillow Guy“, der sich für einen abgewählten Präsidenten ruinierte. Nur Trump selbst kommt immer durch. Bislang.

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