Gipfelvorbereitungen:Nordkoreas Diktator schickt seinen Top-Spion zu Trump

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Kim Yong-chol bei einem Arbeitsessen am Mittwoch mit US-Außenminister Mike Pompeo. (Foto: REUTERS)

Früher war Kim Yong-chol Geheimdienstchef, heute trifft er in ganz offizieller Mission den US-Präsidenten im Weißen Haus. Er soll ihm einen Brief von Kim Jong-un übergeben.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Erst wurde er laut verkündet, dann wieder abgesagt, nun soll er wahrscheinlich doch stattfinden: Über den geplanten Gipfel zwischen Nordkoreas Diktator Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump wurde schon viel berichtet. Wenn die beiden Mitte Juni tatsächlich in Singapur aufeinander treffen, dann könnte dieser Freitag als wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin in die Geschichte eingehen.

Kim Yong-chol, der ehemalige Geheimdienstchef Nordkoreas, wird heute im Weißen Haus erwartet, um US-Präsident Donald Trump einen persönlichen Brief des Diktators Kim Jong-un zu übergeben. Bereits seit Mitte der Woche weilt Yong-chol in den USA. Wer ist der Mann, der versucht, die Strippen für das geplante historische Treffen zu ziehen?

Kim Yong-chol war ein Leben lang Soldat. Seit mehr als fünfzig Jahren trug er immer Uniform; auch, als er im Jahre 2007 zu Verhandlungen nach Südkorea reiste. Vor etwa einem Jahr jedoch legte der 73-Jährige das militärische Khaki ab.

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Eben noch war Nordkorea maximal isoliert, nun verhandeln seine Gesandten in New York, Singapur, Pjöngjang und Panmunjom gleichzeitig. Der abgesagte Gipfel von Kim Jong-un und Donald Trump soll schließlich ein Erfolg werden.

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Am Mittwochabend trug er einen dunklen Anzug und Krawatte, als er in New York mit US-Außenminister Mike Pompeo zu Abend aß. Den ganzen Donnerstag verhandelten die beiden über den erst abgesagten und jetzt wieder geplanten Gipfel von US-Präsident Donald Trump mit Kim Jong-un, dem "Vorsitzenden der Kommission für Staatsgeschäfte", wie der junge Diktatur nun offiziell genannt wird.

Kim Yong-chols Kleiderwechsel ist keine Konzession an die Amerikaner. Der frühere Geheimdienstchef trug schon voriges Jahr eine dunkelblaue sogenannte Ziviluniform, wie man den bis oben zugeknöpften Anzug nennt, der auf die japanische Kolonisation zurückgeht und im deutschen Sprachraum oft fälschlicherweise als "Mao-Anzug" bezeichnet wird. Kims neues Outfit verrät auch keinen Karriereschritt, es ist vielmehr Ausdruck der Umwälzungen, die Kim Jong-un in Nordkorea angeschoben hat.

Zeitweise kommandierte er die Leibwache von Kim Jong-il

Die Karriere Kim Yong-chols begann 1962 in einer Einheit der Militärpolizei an der innerkoreanischen Grenze, an die er später in immer höheren Funktionen zurückkehrte. Zuletzt war er für die innerkoreanischen Beziehungen zuständig. Südkorea macht ihn für verschiedene Grenzzwischenfälle verantwortlich, unter anderem den Artilleriebeschuss der von Südkorea kontrollierten Insel Yeonpyeong im November 2010, bei der vier Südkoreaner umkamen.

Auch für die Versenkung der südkoreanischen Korvette Cheonan im April 2010 soll Kim Yong-chol Verantwortung tragen. 1990 übernahm er die Leitung des militärischen Geheimdienstes, an dessen Führung er seither ständig beteiligt ist.

Man sagt ihm nach, er habe früh erkannt, welche Möglichkeiten sich Nordkorea in der Cyber-Kriminalität zur Beschaffung von Devisen boten. Auch Nordkoreas elektronische Kriegsführung wurde unter seiner Leitung ausgebaut. Zeitweise kommandierte er zu Beginn der 1990er-Jahre auch die Leibwache von Kim Jong-il, dem Vater von Kim Jong-un. Fast 30 Jahre lang arbeitete er auch immer wieder für den Geheimdienst, den er zuletzt als Vier-Sterne-General leitete. Er trat oft als Sprecher der nordkoreanischen Armee auf, auch als er im Jahre 2013 ankündigte, Pjöngjang erkläre den Waffenstillstand von 1953 für nichtig. Folgen hatte das keine.

Als Pjöngjang während der Olympischen Winterspiele im Februar mitteilte, es werde Kim Yong-chol zur Schlussfeier schicken, empörten sich Südkoreas Konservative lautstark, es kam auch zu Demonstrationen. Eigentlich hätte Kim gar nicht nach Seoul - und nun nach New York - reisen dürfen, seine Name steht auf der Liste der Personen, die von den UN mit Sanktionen belegt sind. Doch der als Hardliner bekannte Kim Yong-chol sagte Präsident Moon am Rande der Spiele, Nordkorea sei bereit, auf die Bedingungen Washingtons für einen Gipfel Kims mit Trump einzugehen. Er war auch bei den Gipfeln Kims mit Moon zugegen.

Kim Yong-chol ist einer der wenigen hochrangigen Funktionäre aus der Zeit des Vaters Kim Jong-il, denen auch der Sohn heute noch vertraut. Vater Kim hatte seine Macht stets aufs Militär gestützt, er nannte das "Songun"-Politik, das Wort steht für "das Militär zuerst". Kim Jong-un drehte das schon 2013 in "Byungjin", damit meinte er eine parallele Entwicklung von Atomwaffen und Wirtschaft. Vergangenen November rückte er davon ab, nun will er sich ganz auf die Wirtschaft konzentrieren. Parallel zu dieser Abwendung vom Militär hat Kim die Macht in Nordkorea von der Armee auf die Arbeiterpartei verschoben. Er will die Macht der Armee reduzieren, die als Staat im Staat funktioniert und eine Parallelwirtschaft betreibt.

© SZ vom 01.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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