Gipfeltreffen in Brüssel:EU will Finanzhilfen an Türkei kürzen

  • Die Europäische Union will die Finanzhilfen zur Vorbereitung eines Beitritts der Türkei kürzen. Das hat sie bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel in der Nacht beschlossen.
  • Für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gibt es im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs aber keine Mehrheit.
  • Merkel hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt und für einen härteren Kurs gegenüber der Türkei geworben.

Von Daniel Brössler und Thomas Kirchner, Brüssel

Die Europäische Union will die Finanzhilfen für die Türkei kürzen. Darauf habe sich der EU-Gipfel geeinigt, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am frühen Freitagmorgen.

Das Geld zahlt die EU im Rahmen der Beitrittsverhandlungen, um die Türkei bei der Anpassung an EU-Standards zu unterstützen. Trotz der Kürzung, die nach Mitternacht beschlossen wurde, werden die Verhandlungen nicht abgebrochen. Merkel stellte sich eindeutig hinter den EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei, den sie maßgeblich mitverhandelt hatte. Im Rahmen des Deals werden weiterhin Milliarden gezahlt, damit die Türkei Schutzsuchende versorgen kann.

Die Kanzlerin hatte schon am Donnerstag deutlich gemacht, dass sie die EU auf eine kritische Haltung zur Türkei einschwören wolle und die Hilfen "durchaus eingeschränkt" werden könnten. "Wir haben hier sehr große Sorgen", sagte sie am Donnerstag zu Beginn des Gipfeltreffens der EU in Brüssel. "Nicht nur, dass viele Deutsche verhaftet sind, sondern die gesamte rechtsstaatliche Entwicklung bewegt sich nach meiner Auffassung in die falsche Richtung", betonte Merkel. Im Kreis der EU-Länder gibt es kaum Unterstützung für einen Bruch, auch weil der Flüchtlingspakt nicht gefährdet werden soll.

Das Thema Türkei wurde auf Ersuchen Merkels auf die Tagesordnung des Gipfels gesetzt, sollte aber nur informell beim Abendessen diskutiert werden. Beschlüsse waren nicht vorgesehen. Während einer Fernsehdiskussion mit ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz hatte Merkel im Wahlkampf zugesagt, bei den anderen Staats- und Regierungschefs auszuloten, ob die für einen Stopp der Beitrittsverhandlungen nötige Einstimmigkeit erreichbar ist. Sie werde mit den Kollegen "noch einmal reden, ob wir zu einer gemeinsamen Position kommen können", hatte sie gesagt. Die Verhandlungen liegen faktisch auf Eis, einen Abbruch lehnen viele EU-Staaten aber ab.

Kurz forderte, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu stoppen

Schon vor Deutschland hatte sich Österreich gegen eine Fortführung der Verhandlungen positioniert. "Die Türkei hat keinen Platz in der Europäischen Union", sagte der österreichische Außenminister und Wahlsieger Sebastian Kurz. Er sei "froh, dass in Deutschland und anderen europäischen Staaten sich die Linie ja etwas verändert hat". Die Beitrittsverhandlungen sollten gestoppt werden, forderte er. Dann spare die EU auch mehr als vier Milliarden Euro, die bis 2020 als Vorbeitrittshilfe zu zahlen wären, sagte Kurz, der als wahrscheinlicher neuer Bundeskanzler in Österreich gilt.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini stellte klar, dass das Thema Türkei zwar auf der Gipfelagenda stehe, nicht aber ein Ende der Beitrittsverhandlungen. "Das ist nichts, was wir heute Abend diskutieren", sagte sie. Kanzlerin Merkel bemühte sich, auch versöhnliche Signale in Richtung Ankara zu senden und würdigte die Rolle der Türkei bei der Aufnahme von Flüchtlingen. "Die Türkei leistet hier Herausragendes", sagte sie. Die EU müsse ihr Versprechen halten und zusätzlich zu bereits bereitgestellten drei Milliarden Euro weitere drei Milliarden für die Flüchtlinge in der Türkei zur Verfügung stellen.

Thema beim Gipfel war auch der Brexit. Die britische Premierministerin Theresa May überbrachte den Wunsch, möglichst rasch in die nächste Phase der Verhandlungen zu wechseln und über die künftigen Handelsbeziehungen zu reden. Nach Ansicht der EU sind die Gespräche dafür nicht weit genug gediehen, erst müssten noch die offenen Rechnungen geklärt werden. Als Geste des guten Willens hatte May einen Brief an die drei Millionen EU-Bürger in ihrem Land im Gepäck. Darin versprach sie allen, die legal in Großbritannien lebten, dort bleiben zu können.

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