Protest gegen G-7-Gipfel:Warum auch das bürgerliche Lager wütend ist

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Die Kritik am Groß-Treffen der G-7 in den bayerischen Alpen ist nicht mehr Monopol der Linken. Widerstand kommt auch aus der Mitte der Gesellschaft. (Foto: Florian Peljak)
  • Die Kritik an Groß-Treffen wie jenen der G-7 ist nicht mehr Monopol der Linken.
  • Inzwischen kommt der Unmut über die Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs auch aus der Mitte der Gesellschaft.
  • Der Protest gegen die Gipfeltreffen ist nicht allerdings wirklich neu, weder in Deutschland noch im Ausland.

Von Reymer Klüver

Am Sonntag vergangener Woche hat Hubert Weiger, der Chef der eher bodenständigen Umweltorganisation BUND, mit dem umtriebigen Entwicklungsminister der großen Koalition, dem CSU-Mann Gerd Müller, im Bayerischen Rundfunk über Klimaschutz und G-7-Gipfelpolitik gestritten. An diesem Donnerstag wird er nun an der Seite der Attac-Aktivistin Tina Keller auf dem "Gipfel der Alternativen", dem linken Gegentreffen zur Elmauer G-7-Konferenz, in München auftreten. Sein Thema: "Die Welt im Ausverkauf". Berührungsängste kennt der G-7-Kritiker Weiger nicht, weder nach links, noch nach rechts.

Weiger dürfte für eine Tendenz stehen, die vor dem mittlerweile sechsten Gipfel der G 7 und G 8 in Deutschland kaum zu übersehen ist: Die Kritik am Groß-Treffen in den bayerischen Alpen ist nicht mehr Monopol der Linken, der traditionellen Globalisierungskritiker und der antikapitalistischen Blockupy-Bewegung (die dennoch in den kommenden Tagen die Schlagzeilen beherrschen wird). "Das Unbehagen ist breiter geworden", sagt Uli Post, Leiter der Grundsatzabteilung Politik bei der G-7-kritischen Welthungerhilfe. Es seien nicht mehr nur die üblichen Verdächtigen, die Friedensaktivisten und Ökos, die Autonomen. Unmut komme inzwischen auch "aus der Mitte der Gesellschaft".

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Die reklamiert einer wie Weiger längst für sich. "Als Verband sind wir mit 220 000 Mitgliedern allein in Bayern deutlich stärker als die CSU." Viele Handwerker, Selbständige und Bauern seien Mitglied beim BUND, "das hätten wir nicht, wenn unser Anliegen nicht auf zunehmende Akzeptanz stoßen würde". Zu dem, was zunehmend akzeptiert wird, rechnet Weiger ausdrücklich die Kritik an den G-7-Gipfeln.

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Groll ist ein durchgängiges Motiv

Im Prinzip, so gesteht Weiger gern zu, sei Gipfeldiplomatie wichtig und richtig, so, wie die Treffen ursprünglich in den 1970er-Jahren einmal konzipiert waren als Gesprächskreis am Kamin, als informeller Gedankenaustausch. "Aber nicht dieses Spektakel mit den vielen Problemen und Kosten, die durch nichts zu rechtfertigen sind." Groll über den Riesenaufwand - die Rechnung für den Gipfel in Elmau dürfte bei deutlich mehr als 100 Millionen Euro liegen - ist ein durchgängiges Motiv der Kritik, eben nicht nur von links. Verdrossenheit schafft auch, dass "eine ganze Region in einen Hochsicherheitstrakt" verwandelt werde, wie es der Welthungerhilfe-Mann Post formuliert. Und dann hat sich offenbar auch ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber der Gipfeldiplomatie in den Köpfen festgesetzt: "Was wird da ausgehandelt?", fragt Weiger. Diese Frage stelle sich bei den Gesprächsrunden zum TTIP-Freihandelsabkommen genauso wie bei G-7-Treffen.

Nun sind die Themen dieser Treffen nicht neu. Schon 1985 in Bonn, beim zweiten G-7-Gipfel in Deutschland, als Helmut Kohl Gastgeber war, ging es um die "Beziehungen zu den Entwicklungsländern", wie das damals hieß, es ging um Umweltpolitik und "multilaterale Handelspolitik", tatsächlich aber eher um Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Sehr viel anders hören sich die Themen 30 Jahre später auch nicht an: Außer über "Fragen der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik", wie es in der Themenübersicht der Bundesregierung heißt, und den Klimaschutz soll über die "Post 2015-Agenda" (früher hieß das Umweltschutz) und über "Standards in Handels- und Lieferketten" diskutiert werden. Zentral aber werden nicht die "weichen" Themen sein, sondern vielmehr die Fragen, wie es mit dem Euro und Griechenland weitergeht, mit der Ukraine, in Syrien und im Irak.

Schon 1992 gab es massive Proteste

Auch der Protest gegen die Gipfel ist nicht wirklich neu, nicht in Deutschland, nicht im Ausland. Schon beim dritten Gipfel in Deutschland, 1992 in München, gab es massive Proteste - und Kritik am massiven Polizeiaufgebot, mit dem die Gegner des Treffens in Schach gehalten wurden. Mitten in der Stadt kesselten damals Polizisten Hunderte Demonstranten ein.

Die immer aufwendiger gestalteten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs mutierten um die Jahrtausendwende zu Foren zum Management der Globalisierung - und machten sich so zur Zielscheibe linker Globalisierungskritiker. Die Proteste gegen das Treffen 2001 in Genua forderten sogar ein Todesopfer: Ein junger Mann wurde von einem Polizisten erschossen.

Globalisierungskritik war auch der zentrale Beweggrund der Proteste gegen den fünften Gipfel in Deutschland 2007 in Heiligendamm: "Die Welt ist keine Ware", lautete der Slogan des linken Netzwerks Attac. Kirchliche Organisationen wie Brot für die Welt und Miserior waren dabei, Entwicklungsgruppen und auch Umweltorganisationen wie der BUND. Zehntausende demonstrierten in Rostock. Es war, wie die taz konstatierte, "für die deutsche Linke das größte Spektakel ihrer jüngeren Geschichte". Das Unbehagen am globalen Regelungsanspruch der Gipfel und dem enormen Aufwand war eindeutig links von der Mitte zu lokalisieren. Da ist es sicher noch heute zu finden. Doch es hat sich etwas geändert: "Die Skepsis", sagt Uli Post von der Welthungerhilfe, "ist weiter ins bürgerliche Lager gerückt."

© SZ vom 03.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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