Gipfel zur Schuldenkrise:EU drängt Griechen zu härteren Einschnitten

Die EU stellt Griechenland ein weiteres gigantisches Hilfspaket in Aussicht - und weist das hochverschuldete Land zugleich auf seine Versäumnisse hin: Die Regierung Papandreou soll noch drastischer sparen, insgesamt geht es um mehrere Milliarden Euro. Auf dem Gipfel in Brüssel versucht Bundeskanzlerin Merkel, den griechischen Oppositionsführer Samaras zu überreden, dem Sparpaket zuzustimmen - doch sie beißt auf Granit.

Das wird den wütenden Demonstranten gar nicht gefallen, die seit Wochen in Athens Innenstadt gegen den Sparkurs ihrer Regierung protestieren: Griechenland verspricht der EU, noch drastischer zu kürzen. Im Gegenzug soll das verschuldete Land ein neues Hilfspaket in Millionenhöhe bekommen - vorausgesetzt, es erfüllt die Bedingungen seiner Retter.

European Union leaders pose for a family picture during a summit in Brussels

Gruppenbild mit Schuldner: Die EU-Staats- und Regierungschefs, darunter auch Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou, posieren auf dem Brüsseler Gipfel für die Fotografen.

(Foto: REUTERS)

Griechenland hat EU-Kommission, Internationalem Währungsfond und EZB beim EU-Gipfel in Brüssel zugesagt,

[] bis zum Jahr 2014 Finanzierungslücken zu schließen. Dazu will Athen Ausgaben in Höhe von 3,8 Milliarden Euro kürzen, hieß es am frühen Freitagmorgen aus EU-Kreisen. Bei der Überprüfung des neuen Sparpakets sei festgestellt worden, dass die versprochenen 28 Milliarden Euro an Einsparungen nicht ganz erreicht worden seien.

Zuvor hatte das von der Pleite bedrohte Land offiziell ein weiteres Hilfspaket beantragt. Regierungschef Giorgos Papandreou stellte eine entsprechende Anfrage. Er zeigte sich nach dem Treffen mit seinen EU-Kollegen zufrieden. Die Unterstützung sei "ein positives Zeichen für die Zukunft Griechenlands".

"Wir haben verabredet, dass es ein neues Programm für Griechenland geben wird", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Auftakt des zweiten Tages des EU-Gipfels am Freitagmorgen. "Es war eine gute Botschaft, dass sich Griechenland mit der Troika geeinigt hat auf seine Beiträge."

Diplomaten zufolge sieht der neue Notplan so aus:

[] Bis zu 120 Milliarden Euro sollen ingesamt an Griechenland fließen.

[] Banken und Versicherungen sollen mit ins Boot genommen werden - sie sollen sich auf freiwilliger Basis an den Kosten beteiligen.

[] Eine Milliarde Euro fließt vorab schon einmal kurzfristig ins Land - die Summe ist für Investitionen gedacht. Die Gipfelteilnehmer einigten sich, EU-Fördergeld in dieser Höhe schneller auszahlen zu lassen. Den Vorschlag hatte Kommissionspräsident José Manuel Barroso gemacht.

Der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger lobte diese Entscheidung als "ersten Schritt in die richtige Richtung." Er sagte in der ARD, mit dem Geld könne Griechenland verhindern, dass die Einsparungen die Wirtschaft abwürgten. Zudem sprach Bofinger sich für einen Schuldenschnitt von 40 bis 50 Prozent aus, den auch die privaten Gläubiger mittragen sollen. Das komme auch die deutschen Steuerzahler billiger.

Die Details des neuen Rettungspakets sollen die EU-Finanzminister bei einem Treffen am 3. Juli ausarbeiten. Allerdings stellen die Retter Bedingungen - und wünschen sich ein Signal:

[] Das griechische Parlament muss Ende Juni das Sparpaket der Regierung Papandreou absegnen. Und nicht nur das: Die EU wünscht sich eine möglichst einhellige Zustimmung. Nationale Einigkeit sei Voraussetzung für den Erfolg der notwendigen Reformen, erklärten die Staats- und Regierungschefs.

[] Auch der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, warnte das griechische Parlament. Sollte sich keine Mehrheit finden, "werden wir zu sehr erheblichen, Griechenland negativ betreffenden Gesamtentscheidungen kommen müssen. Dies wünsche ich weder Griechenland noch uns selbst."

[] Die griechische Opposition wird deshalb unter Druck gesetzt, den Sparkurs mitzutragen. Merkel und andere führende EU-Politiker wollten bei einem Parteientreffen der Konservativen den Oppositionsführer Antonis Samaras dazu bringen, seinen Widerstand aufzugeben. Teilnehmer des Treffens beschrieben die Diskussion mit Samaras als dramatisch - doch der Grieche blieb bei seinem Nein.

Die griechischen Medien kritisierten das Sparprogramm. "Es ist der Gnadenschuss für unsere Einkommen", titelte am Freitag die linksliberale Boulevardzeitung Eleftherotypia. Das konservative Boulevardblatt Eleftheros Typos nennt einen geplanten Solidaritätszuschlag "unerträgliche Kampfsteuern". Je nach Einkommensklasse müssen die Griechen demnach zwischen ein und vier Prozent ihres Einkommens zahlen. Für alle Minister, Parlamentarier, höhere Beamte und andere gewählte Personen wie Bürgermeister soll die Solisteuer fünf Prozent des Jahreseinkommens betragen. Die der regierenden Pasok nahestehende Zeitung Ta Nea rechnete aus, dass für ein Ehepaar mit 40.000 Euro Einkommen für den Ehemann und 25.000 Euro für die Frau zusätzlich mit 2275 Euro jährlich belastet werden.

Entscheidung über EZB-Präsidentschaft vertagt

Wider Erwarten vertagte der EU-Gipfel die Ernennung des Italieners Mario Draghi zum neuen EZB-Präsidenten auf Freitag. Einem EU-Diplomaten zufolge blockierte Frankreich die Berufung. Draghi soll an der EZB-Spitze dem Franzosen Jean-Claude Trichet nachfolgen. Damit Frankreich weiter einen Platz im Direktorium hat, müsste der Italiener Lorenzo Bini Smaghi seinen Platz räumen, was dieser aber bisher ablehnt.

Der Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, will den Euro mit einer Grundgesetzänderung retten. "Wir müssen klar sagen: Natürlich helfen wir den Griechen! Auch wenn Europa so von der Währungs- zur Transferunion wird", forderte Cohn-Bendit in der Berliner Zeitung. Falls ein solcher "Länderfinanzausgleich auf EU-Ebene" vor dem Bundesverfassungsgericht scheitere, müsse Deutschland eben sein Grundgesetz ändern. "Die Pro-Europa-Parteien CDU, SPD und Grüne haben eine Zweidrittelmehrheit. Wir könnten sagen: Bei einer gemeinsamen Währung und einer nötigen gemeinsamen Wirtschaftsregierung brauchen wir auch die gemeinsame Haushaltspolitik - und die beinhaltet eben Transfers."

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