Gipfel-Reaktionen:Trumps Partei mault und bleibt folgsam

  • Der Gipfel von Helsinki führt in den USA zu heftigen Reaktionen.
  • Demokraten und ehemalige Sicherheitsbehörden-Chefs kritisieren den US-Präsidenten hart.
  • Die Republikaner üben Kritik an Trumps Putin-Glauben, allerdings meist zaghaft.
  • Kaliforniens Ex-Gouverneur und Hollywood-Star Schwarzenegger beschimpft Trump in einem Twitter-Video.

Von Johannes Kuhn, Austin

Als US-Präsident Donald Trump gerade in den Abendhimmel von Helsinki entschwebt war, beschrieb ein anonymer Mitarbeiter des US-Außenministeriums, was er gerade fühlte: Am Dienstag auf der Arbeit zu erscheinen, erzählte er der Reporterin Tara Palmeri, "ist so, als wärst du auf der Titanic angestellt und dafür zuständig, das Silberbesteck zu putzen. Es erscheint etwas sinnlos."

Trump kann mit seinem politischen Provokationismus das Land in Dauernervosität stürzen, sein narzisstisches Irrlichtern eine einzige Woche wie Monate erscheinen lassen. Diesmal hat er schon an einem Montag Historisches vollbracht.

Oder, wie der ABC-Fernsehmoderator George Stephanopoulos um Fassung ringend erklärte, als die Gipfel-Pressekonferenz des Präsidenten mit Wladimir Putin gerade zu Ende war und die Studiokameras sich wieder auf ihn richteten: "Sie alle, die das heute gesehen haben, werden Ihren Freunden, Ihrer Familie, Ihren Kindern und Enkeln davon erzählen können, einen historischen Moment erlebt zu haben. Womöglich aber nicht aus positiven Gründen."

Die Weigerung Trumps, seine Ermittlungsbehörden und Geheimdienste zu verteidigen; seine Bereitschaft, ihren Ergebnissen zur russischen Wahleinflussnahme 2016 zu misstrauen und stattdessen das Dementi Putins als glaubhafte Sichtweise zu präsentieren. Die Sätze "Ich mache beide Länder verantwortlich" und "Putin sagt, Russland war es nicht. Und ich sehe keinen Grund, warum es das gewesen sein sollte". All das sorgt außerhalb von Trumps Basis für Entsetzen.

Mittelfinger an das eigene Land

Ehemalige Geheimdienstler und Mitarbeiter von Strafverfolgungsbehörden sowie Ex-Diplomaten riefen angesichts solcher Äußerungen die höchste Warnstufe aus: "Nichts Geringeres als verräterisch" sei Trumps Auftritt gewesen, erklärte der ehemalige CIA-Direktor John Brennan. Und der frühere FBI-Direktor und Trump-Lieblingsfeind James Comey twitterte: "Dies war der Tag, an dem ein amerikanischer Präsident auf ausländischem Boden neben einem mörderischen, lügenden Gangster stand und sich weigerte, sein eigenes Land zu unterstützen. Patrioten müssen aufstehen und das Verhalten dieses Präsidenten ablehnen."

Selbst der sonst zurückhaltende Ex-Verteidigungsminister Ash Carter erklärte: "Ich habe niemals eine solch einseitige Aufgabe amerikanischer Sicherheitsinteressen und -prinzipien ohne Gegenleistung erlebt, oder es mir vorstellen können." Der Gipfel "fühlte sich an, als würde ich der Zerstörung einer Kathedrale beiwohnen".

Auch die Demokraten zeigen sich naturgemäß entsetzt. Von einem "großen Mittelfinger an das eigene Land" sprach Chris Murphy, Senator aus Connecticut. Die nun geforderten Patrioten, so auch ihr Tenor, seien das nationale Sicherheitsteam und die Republikaner in Washington.

Der von Trump berufene Nationale Geheimdienstdirektor Dan Coats wäre ein Kandidat dafür. Er warnt stets vor russischer Cyber-Einmischung ("eine blinkende rote Warnleuchte"), die Relativierung des US-Präsidenten diskreditiert ihn und seine Behörden. Doch Coats beließ es bei einer dürren Stellungnahme: "Wir sind deutlich gewesen in unserer Einschätzung russischer Einmischung."

Auch aus Trumps Kabinett ist kein großer Protest zu erwarten. Dass etwa Sicherheitsberater John Bolton oder US-Außenminister Mike Pompeo nach dem Treffen des Präsidenten mit Putin zurücktreten, gilt als ausgeschlossen. Anders sieht es womöglich bei Stabschef John Kelly aus. Dessen Abschied wird aber ohnehin im Laufe des Sommers erwartet.

Kritik üben die, die nichts mehr zu verlieren haben

Das Echo aus den Reihen der Republikaner, die Trump längst zu seiner Partei gemacht hat, ist zwar deutlich negativer als sonst - aber unter dem Strich weiter verhalten. Am deutlichsten äußerten sich Offizielle aus der Peripherie und Politiker, die nicht zur Wiederwahl stehen.

So wie Jeff Flake, Senator aus Arizona und Ende des Jahres ausscheidend: "Ich hätte nie gedacht, einen Tag zu erleben, an dem ein amerikanischer Präsident auf der Bühne mit dem russischen Präsidenten steht und die USA für russische Aggression verantwortlich macht." Sein todkranker Kollege John McCain ließ aus dem Krankenbett mitteilen, dass "der Schaden, den Präsident Trump mit seiner Naivität, seinem Egoismus, seinen falschen Vergleichen und der Sympathie für Autokraten angerichtet hat, schwer zu kalkulieren ist".

Etwas zahmere Kritik kam von Republikanern, die Trump unterstützen, aber im November ihr Amt an Demokraten verlieren könnten. Peter T. King, Abgeordneter aus New York, zeigt sich "enttäuscht, aber nicht verblüfft" über die Äußerungen des Präsidenten. Die meisten Konservativen aber schwiegen: Niemand kann es riskieren, den US-Präsidenten gegen sich aufzubringen, zumal viele Herausforderer in parteiinternen Vorwahlen jede Abweichung vom Trumpismus erfolgreich als Verrat klassifizieren.

Kein Stoppschild für Trump

Und so blieb es bei gut gemeinten Hinweisen, dass Russland "nicht unser Freund" (so der scheidende Speaker des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, und der Geheimdienstausschuss-Vorsitzende des Senats, Richard Burr) oder "unser Gegner" (Senator Marco Rubio) sei. In Stellungnahmen, die sich Trump nicht einmal beim Namen zu nennen trauten. Und obwohl der Trump-Cheerleader Newt Gingrich vom "größten Fehler" in dessen bisheriger Präsidentschaft twitterte, forderte er lediglich: eine Klarstellung.

Theoretisch, daran wurde am Montag mehrmals erinnert, könnten die 51 republikanischen Senatoren und 236 konservativen Abgeordneten im Repräsentantenhaus Anhörungen veranlassen, dem Präsidenten per Votum die Missbilligung aussprechen oder dafür sorgen, dass sich Trump nicht per Erlass oder indirekt des Sonderermittlers Robert Mueller entledigt. Die Unterstützung der Demokraten hätten sie dabei. Doch ihr Interesse daran, dem US-Präsidenten Einhalt zu gebieten, bleibt auch nach Helsinki unverändert gering.

Nur einer polterte heftig in Richtung Trump: Arnold Schwarzenegger, einst kalifornischer Gouverneur und Hollywood-Star, warf seinem Parteifreund vor, sich wie ein "Fanboy" von Putin verhalten zu haben: "Ich habe mich gefragt, wann er ihn um ein Autogramm oder ein Selfie bittet." Trump habe bei der Pressekonferenz mit dem Kreml-Chef wie eine "little wet noodle" dagestanden, sagte Schwarzenegger in einem Twitter-Video, zu deutsch: wie eine "kleine, weiche Nudel".

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise geschrieben, dass Paul Ryan der Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus sei. Richtig ist, dass er als "Speaker" - Sprecher - ranghöchster Vertreter der "Grand Old Party" in der Zweiten Kammer des Kongresses ist. "Majority Leader" - also Mehrheitsführer - der Republikaner im "House" ist Kevin McCarthy.

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